hamburg:pur März 2024
Foto: Ascot Elite Entertainment Foto: DMC/A24/SQUARE PEG/SATURN FILMS DreamScenario Ob als Ehemann, Familienvater oder College-Professor, Paul Matt- hews (grandios: Nicolas Cage) ist von tragischer Durchschnitt- lichkeit. Etwas plump und unbeholfen stapft er in seinen schwe- ren Wanderschuhen durch den Alltag, Interesse an ihm zeigen weder seine Teenager-Töchter daheim noch die Studenten im Hörsaal, wenn der Evolutionsbiologe über das Bewusstsein von Zebra-Herden doziert. Pauls Leben ändert sich schlagartig, als er beginnt, in den Träumen anderer Menschen aufzutauchen, erst bei seiner Tochter, dann bei seinen Studenten, schließlich welt- weit. Nicht, dass der nerdige Professor dort Spektakuläres voll- bringt, nein, er schaut den Betroffenen gleichgültig zu, weder Endzeitspektakel noch Alligatoren-Angriff berühren ihn. Ganz an- ders in der Realität: Die Aufmerksamkeit und sein ungewohnter Ruhm als virale Sensation genießt er in vollen Zügen, doch bald schon verwandeln sich jene kollektiven Erscheinungen in gewalt- tätige blutige Übergriffe und Paul ist kein tatenloser Zuschauer mehr. Aus Begeisterung wird Hass, der ihm überall entgegen- schlägt. Der norwegische Regisseur Kristoffer Borgli („Sick of Myself“) persifliert in seinem englischsprachigen Debüt die Wankelmütig- keit des Massenpublikums. Virtuos jongliert er mit den Genres, hält aber immer Balance zwischen Komödie, Tragödie, Science- Fiction und Horrorfilm. „DreamSzenario“ ist trotz seines schwar- zen, sarkastischen Humors auch die herzzerreißende Charakter- studie eines Durchschnittsbürgers auf der Suche nach dem Unerreichbaren. Jene abenteuerlichen Traumsequenzen unter- scheiden sich in der Bildsprache kaum von den realen Szenen. Das grobkörnig fast Dokumentarische suggeriert Nähe zur Wirk- lichkeit, gibt dem Absurden eine surreale Glaubwürdigkeit. Nicolas Cage („Pig“) läuft in der Rolle des Paul Matthews zur Höchstform auf. Der unkonventionelle Schauspieler, eher bekannt für sein extremes Overacting, erfindet sich als unauffälliger, glück- loser Akademiker, der verzweifelt versucht, seine Schwächen zu kaschieren, noch einmal neu – ohne jede Gier auf Pointen. (ag) AB 21. MÄRZ USA 2023; 102 Min.; R: Kristoffer Borgli; D: Nicolas Cage, Lily Bird, Julianne Nicholson ★★★★★ FILM Radical – Eine Klasse für sich Eine Horde schwer bewaffneter Halbstarker auf einem Pick-up, die zwei Männer angekettet hinter sich herziehen, ein Mädchen, das mit seinem kranken Vater in einer Bretterbude am Rande einer riesigen Müllkippe lebt und ein anderes Mädchen, das sich um seine Geschwister kümmert, während die Eltern in einer Fa- brik das Nötigste verdienen. Es sind bekannte, trostlose Bilder aus dem Alltag in Mittel- und Südamerika – und es sind die Bil- der, mit denen der Regisseur und Drehbuchautor Christopher Zalla seinen konventionell erzählten und doch sehr berührenden Film beginnt. Basierend auf wahren Begebenheiten spielt es an einer Schule immexikanischen Matamoros, sie gilt als die leistungsschwächste im Land. Eines Tages lässt sich der idealistische Lehrer Sergio Juarez (Eugenios Derbez) an diesen vergessenen und von Ge- walt, Armut und Korruption geprägten Ort versetzen. Er wirft die Pulte aus demKlassenraum und den Lehrplan über den Haufen. Die Kinder behandelt er mit Respekt und Empathie, regt sie zum eigenständigen Denken und Handeln an. Die Sechstklässler blü- hen auf, das Kollegium bis hin zumMinisterium begegnet ihmmit Argwohn. Zalla zeichnet einen idealistischen Lehrer, den Derbez mal mit komödiantischer Aufgedrehtheit, mal mit niederschmetternder bis hin zu zerstörerischer Frustration gibt. Vor allem aber ist es der vielversprechende junge Cast, der den Film trägt: der auf- rührerische und doch sensible Niko (Danilo Guardiola), dem seine Zukunft in der kriminellen Gang vorbestimmt ist, die Astronomie begeisterte Paloma (Jennifer Trejo), deren Vater sich mit seinem Schicksal als Müllsammler abgefunden hat, und die nachdenk- liche Lupe (Mia Fernanda Solis), die mit der Geburt ihres dritten Geschwisterchens die Schule verlassen muss. Es ist eine vorhersehbare Geschichte mit nicht nur glücklichen Wendungen, die nicht märchenhaft ist und doch von der Hoff- nung erzählt, das individuelle Potenzial eines jeden wecken zu können. (bs) AB 21. MÄRZ USA 2023; 122 Min.; R: Christopher Zalla; D: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo ★★★★★ 26 DAB+ HH & SH I App rockantenne.hamburg UKW 106,8 Radio an! Die größten Rocksongs aller Zeiten! Jetzt App rock'n
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