hamburg:pur März 2023

Foto: Plaion Pictures Foto: SquareOne/Focus Features FILM Broker – Familie gesucht Busan, Südkorea. Nachts bei strömenden Regen lässt eine junge Frau ihr Neugeborenes vor der Babyklappe einer Kir- che zurück. Beobachtet wird sie dabei von zwei taffen Poli- zistinnen, unterwegs, um den Drahtziehern illegaler Adop- tionen das Handwerk zu legen. Ins Visier geraten Sang-hyun (grandios: Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won), ein eher zart besaitetes als gerissenes Kleinkriminellen-Duo mit notorischen Geldsorgen. Die beiden sind nicht, wie ver- mutet, Teil einer großen Organisation, sondern klauen nur gelegentlich, wie jetzt, einen Säugling aus der Babyklappe. Gewissensbisse quälen die Kidnapper nicht, wissen sie doch, dass die meisten Frauen einen Zettel hinterlassen, wo sie zwar versprechen, zurückzukommen, um ihr Kind zu holen – so dürfen diese nicht zur Adoption freigegeben werden –, aber nur eine Mutter von 40 das Versprechen hält. Dong- soo, selbst imWaisenhaus aufgewachsen, kennt das Gefühl, vielleicht besser nicht geboren zu sein. Unerwartet taucht am nächsten Tag die Mutter des gestoh- lenen Babys auf. So-young (sensationell: Lee Ji-eun), eine Prostituierte, bereut ihre Entscheidung, bezeichnet die Män- ner höhnisch als Broker, ist aber durchaus interessiert an einemAnteil des Honorars für die Adoption. Zusammen ma- chen sich die drei in einem zerbeulten Mini-Van von Sang- hyuns Wäscherei auf durch Südkorea, um passende Eltern für den kleinen Woo-sung zu finden. Es entwickelt sich eine Schicksalsgemeinschaft, die manchmal an „Shoplifters“ (2018) erinnert. Der japanische Regisseur Hirokazu Kore- eda charakterisiert die herkömmliche Moral als untauglich zumÜberleben am Rande der Gesellschaft. Seine Protago- nisten, geprägt von Ablehnung und Verlust, besitzen trotz allem einen herrlich ungeschliffenen, trotzigen Charme. Familie bleibt Utopie, auch wenn Dong-soo kurz davon träumt. Hier ist kein Platz für kitschige Happy Ends höchs- tens für einige glückliche, ausgelassene Stunden zusammen und wichtiger noch: praktikable Lösungen. Mit subtiler, ver- spielter Finesse und Humor inszeniert Kore-eda ästhetisch virtuos das schillernde Beziehungsgeflecht, fast als wäre es eine Hommage an den Neorealismus von Vittorio De Sica. (ag) AB 16. MÄRZ KOR 2022; 129 Min.; R: Hirokazu Kore-eda; D: Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona ★★★★ ★ Inside Eine Insel mitten imNirgendwo wird imKino häufig als Motiv genutzt, um von Einsamkeit und Gefangenschaft zu erzäh- len. Siehe die moderne Robinsonade „Cast Away – Ver- schollen“, in der Tom Hanks einen scheinbar rettungslos verlorenen Gestrandeten verkörpert. Dass auch an pulsie- renden Orten, unter vielen Menschen, maximale Isolation möglich ist, zeigt das Survivaldrama „Inside“. Der Kunstdieb und Profieinbrecher Nemo gerät hier ausgerechnet in einer New Yorker Hochhauswohnung in eine existenziell bedroh- liche Situation. Urplötzlich verriegelt das Sicherheitssystem alle Ausgänge und gibt anschließend komplett den Geist auf. Mit jedemneuen Tag schwindet Nemos Hoffnung, den goldenen Käfig wieder verlassen zu können. Seien wir ehrlich, Vasilis Katsoupis’ Spielfilmdebüt ist kei- neswegs frei von Glaubwürdigkeitsproblemen: Warumetwa reagiert niemand auf den losbrechenden ohrenbetäuben- den Alarm? Klappt es aber, den logischen Brüchen nicht zu viel Gewicht beizumessen, entfaltet der Ein-Mann-Überle- benskampf einen ordentlichen Sog. Dafür verantwortlich ist zum einen Hauptdarsteller Willem Dafoe, auf dessen mar- kantem Gesicht sich die emotionale Achterbahnfahrt des Protagonisten eindringlich abzeichnet – ganz ohne billige Effekthascherei. Wichtig für die Wirkung, die langsam be- drückender, später surrealer werdende Atmosphäre ist außerdem das in einem Kölner Studio errichtete, durch­ designte Luxuspenthouse, das Nemomit seinen hohen De- cken und Türen klein und hilflos erscheinen lässt. Obwohl die Welt hinter den großen Glasfenstern zum Greifen nahe ist und das Leben außerhalb der Wohnung über die Bilder der Überwachsungskameras in Ausschnitten präsent bleibt, könnte sich der Eingesperrte nicht einsamer fühlen. Aus seinem Dilemma erwächst zwar keine echte Thrillerspan- nung, wie sie der Verleih ankündigt. Das Interesse an Nemos Schicksal hält sich dennoch bis zum etwas prätentiösen Schluss, der krampfhaft umeine künstlerisch wertvolle Note, um philosophischen Tiefgang bemüht ist. (cd) AB 16. MÄRZ GR/D/B 2023; 105 Min.; R: Vasilis Katsoupis; D: Willem Dafoe ★★★ ★★ 26 DAS TOR ZU HAMBURGS GASTRONOMIE italiener in ottensen HAMBURGS FOODSZENE ENTDECKEN Mit demGenuss-Guide+ hast du Zugriff auf: + rund 700 Restaurant-Kritiken + Hamburgs Bars im Test und die besten Cafés + spannende Hintergrundgeschichten über Hamburgs Gastro- und Foodszene + genussguide-hamburg.com Melde dich jetzt für das Genuss-Guide+ Abo an! Genuss-Guide+ für ein Jahr: 24€

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz