hamburg:pur März 2023

Foto: Focus Features Foto: Arsenal Filmverleih FILM Tár Eines in diesem Drama ist unbestritten: Cate Blanchett ist in der Rolle der Berliner Star-Di- rigentin Lydia Tár einfach fantastisch. Sie lehnt sich hinein in die Musik, lässt ihren Taktstock durch die Luft wirbeln und zieht einen förmlich hinein in den Strudel aus Genialität, Arroganz und vielleicht auch etwas Wahn. Steht sie auf der Konzertbühne, trifft sie jeden Ton, in ihrem restlichen Leben aber werden die Dissonanzen immer lauter. Sie erniedrigt ihre Studenten, droht den Schulkameraden ihrer Tochter und hat vor ihrer Frau (Nina Hoss) im- mer mehr Geheimnisse. Ihre kultivierte Fas­ sade, die sie in Kaschmirpullover und maßge- schneiderte Anzüge hüllt, bekommt nach und nach Risse. Erst recht als Anspielungen auf Machtmissbrauch und sexuelles Fehlverhalten auftauchen – und eine geheimnisvolle Frau, die mal im Publikum sitzt, durch Flure huscht oder sich wie ein Schatten in die Kinderzimmerecke drückt. 16 Jahre lang hat der Indie-Regisseur Todd Field nach großartigen Dra- men wie „In the Bedroom“ pausiert, um jetzt so formvollendet Rätsel aufzugeben, dass „Tár“ mittlerweile für mehr als 225 Preise nominiert ist und zahlreiche bereits gewonnen hat. Aber es gibt durchaus auch wütende Abrechnungen. Denn „Tár“ erzählt nicht nur von Machtmiss- brauch, von westlicher Hochkultur und Cancel Culture, sondern scheint sich zum Ende hin in einen Geisterfilm zu verwandeln. Auch wenn man- che diesen Hokuspokus nicht mitmachen möchten, überschlagen sich Das Blau des Kaftans Halim (Saleh Bakri) und Mina (Lubna Azabal) sind seit vielen Jahren verheiratet und betreiben in der marokkanischen Altstadt von Salé ein Geschäft für traditionelle Kaftane. Die prachtvollen Obergewänder wer- den in sorgfältiger Handarbeit hergestellt und aus wertvollen Materia- lien gesponnen. Ein junger Lehrling beginnt in der Schneiderei und bringt das bislang bestehende Gleichgewicht zwischen den beiden ins Wanken. Denn Halim und der junge Lehrling (Ayoub Missioui) teilen mehr als die Leidenschaft und Liebe für die Stoffe und das Handwerk. Sie fühlen sich auch beide zueinander hingezogen – was in Marokko alles andere als akzeptiert ist. Die an Krebs erkrankte Mina spürt, dass ihr Mann etwas verheimlicht, hält aber doch zu ihm. Wird er ihr von sei- ner Neigung zu Männern erzählen? „Das Blau des Kaftans“ von Regisseurin Maryam Touzani ist wie schon ihr Debütfilm „Adam“ ein Film der leisen Töne und der tiefen Mensch- lichkeit. In ruhigen, anmutigen Bildern lässt sie sowohl das sinnliche Handwerk des Schneiderns als auch die zwischenmenschlichen Be- ziehungen in wunderschönem, warmem Licht erscheinen – und rührt damit auch an ein Tabu in der marokkanischen Gesellschaft. Homo- sexualität ist dort noch immer eine Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft geahndet wird. Der Film plädiert auf einfühlsame Weise für die Freiheit, so zu sein, wie man ist – ohne den Zeigefinger zu erheben oder die moralische Keule zu schwingen. Vielmehr ist es ein Film über die Liebe zum Handwerk, aber auch der Liebe zwischen den Menschen, frei von Kitsch und doch voller Gefühl. Das erinnert sehr an den filmischen Vorgänger „Adam“, beein­ druckte aber sowohl in Cannes als auch auf dem Filmfest Hamburg nicht minder, sondern eher mehr. Ein Filmjuwel einer begnadeten Filmemacherin. (mag) AB 16. MÄRZ F/MAR/B 2022; 118 Min.; R: Maryam Touzani; D: Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Missioui ★★★★★ im Internet die Mutmaßungen und werden mit Screenshots geister- hafter Erscheinungen belegt. Sind das Halluzinationen? Oder Meta- phern für Lydia Társ Schuldgefühle? Auf jeden Fall kann man nicht an- ders, als Cate Blanchett fasziniert in alle Verästelungen der Geschichte zu folgen. Und das bis zur letzten der 158 Minuten – mit einem umwer- fenden Schlussakkord. (sd) AB 2. MÄRZ USA 2022; 158 Min.; R: Todd Field; D: Cate Blanchett, Nina Hoss, Noémie Merlant ★★★★★ 24 Unsere Möglich macher: w w w . a h o y r a d i o . d e Gutes Radio für Gute Leude M e d i e n p a r t n e r Ladet unsere App!

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