Hamburg Pur 03/2022

Foto: Friederike Höppner Illustrationen: Tanja Deutschländer TAG+NACHT K3 I TANZPLAN AUF KAMPNAGEL „Uns verbinden Erfahrungen mit eingeschriebenen Vorurteilen “ In Gloria Höckners „Sentimental Bits“ agieren vier Performer und Performerinnen und ein humanoider Sexroboter miteinander, um sich einer Aus- und Bewertung durch KI zu ent- ziehen. Das Tanzstück ist eine von drei Produk­ tionen, mit denen die aktuellen K3-Residenz-Choreografinnen sich im Rahmen des Festivals TanzHochDrei vom 24. März bis 3. April vorstellen Gloria Höckner, Tanz kann aus physischen Phänomenen bestehen, die durchaus nicht auf den menschlichen Körper begrenzt sind, und da gäbe es zahlreiche Möglichkeiten – warum ein Sexroboter? Gloria Höckner: Der Sexroboter verkörpert die Frage nach einer Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Er fragte mich beispielsweise, ob ich männlich oder weiblich bin. Als ich ant- wortete, dass ich nicht-binär sei, war der Ro- boter überrascht. Warum ist meine Identität überraschend? Warum geht der Roboter von zwei Geschlechtern aus? Diese in Maschinen eingeschriebenen Vorurteile will ich sichtbar machen und problematisieren. ImUntertitel heißt deine Choreografie „This Magic is in Spite of Me“, ins Deutsche über- setzt, ergibt das indes wenig Sinn … Der Untertitel stammt aus einem Experiment, bei dem eine Künstliche Intelligenz auf Grund- lage bisheriger Songs einen neuen komponier- te. Es offenbart sich, dass KI es zwar schafft, Muster eines vorgegebenen Materials zu er- kennen und zu verarbeiten, sie ist dabei aber doch fehlerhaft. Diese Reproduktion von Mus- tern ist besonders problematisch, wenn sie beispielsweise an Grenzübergängen eingesetzt wird, umMenschen zu analysieren – und nicht nur Songtexte. 4 TAG+NACHT Bei „Sentimental Bits“ geht es darum, sich computergesteuerten Überwachungssyste- men zu verschließen beziehungsweise sie zu stören, wie funktioniert die Übertragung in eine Performance? Durch körperliche Nähe, Bewegung/Tanz, ein Spiel mit dem körperlichen Ausdruck, die Be- nutzung von Masken und die gegenseitige Um- schlingung von eigenen wie fremden Körper- teilen entziehen sich die Performer:innen der „Erkennung“ durch die Software. Die Körper entwickeln eine eigene Intelligenz oder ein Be- wusstsein gegenüber der KI. Die Performer und Performerinnen spielen damit, durch ihren Gesichtsausdruck oder ihre Bewegungen die KI so zu irritieren, dass sie entweder gar nicht mehr erkannt werden oder Störungen imSys- tem erzeugen. So „hacken“ sie ihren Ausdruck und lassen „Glitches“ entstehen. Welche Bilder entstehen, wenn Körper ge- hackt und geglitcht werden? Die Emotions-KI erkennt nur eine begrenzte Anzahl an Emotionen und lediglich zwei Gen- der. Trotz dieser begrenzten Möglichkeiten fin- det die Technologie zunehmend Eingang in die Gesellschaft, zum Beispiel bei Jobinterviews. In dem Stück wird sichtbar, wie die Software über digitale Masken versucht, Gesichtsaus- drücke zu deuten und mittels Kategorisierung zu interpretieren. Die Performer:innen irritie- ren die KI, sodass sie kaum noch erkannt wer- den. Das Bewegungsmaterial entsteht unter anderem durch das Spiel der Performer:innen mit den Grenzen des Systems. Jedes Mal, wenn die Performer:innen sich außerhalb der von der KI bekannten Kategorien bewegen, ent- stehen alternative Narrationen, überraschen- de sowie irritierende Bilder und Dialoge. Braucht es dafür Performer:innen mit be- stimmten Voraussetzungen? Ich arbeite mit Performer und Performerinnen, die selbst ein Interesse an der Thematik mit- bringen. Uns verbinden eigene Erfahrungen mit den politischen Implikationen, eingeschriebe- nen Vorurteilen und Körpervorstellungen die- ser Systeme. Wie werden die begleitenden „immersiven Klanglandschaften“ erzeugt? Wir haben ein eigenes Musikinstrument ge- baut, indem wir den von der KI erkennbaren Emotionen und Genderkategorien eigene Klän- ge zugewiesen haben. So werden sie hörbar und das Gesicht zu einem Instrument. Das Glei- che haben wir auf eine Software angewendet, die den Körper der Performer:innen verfolgt und ihre Bewegungen in eine Klanglandschaft transformiert. Interview: Dagmar Ellen Fischer SENTIMENTAL BITS – THIS Magic is in Spite of Me, Kampnagel, 24., 26. und 27.3. www.reservix.de dein ticketportal /reservix Tickets unter www.reservix.de 0,20 € pauschal aus dem deutschen Festnetz, aus demMobilfunknetz 0,60 € Hotline 01806 700 733 Alle Angaben ohne Gewähr Bundesweit 90.000 Events! Chris de Burgh 10.10.22 Barclaycard Arena Hamburg Ólafur Arnalds 03.07.22 Elbphilharmonie Hamburg Tommy Emmanuel 01.11.22 Fabrik Hamburg Hania Rani 18.05.22 Mojo Club Hamburg Serdar Somuncu 07.10.22 Sporthalle,Hamburg Uriah Heep 09.09.22 Laeiszhalle Hamburg 5

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