Hamburg Pur 03/2022

PARTY CLUBKULTUR „Wir brauchen ernsthafte Perspektiven“ Anna Lafrentz, zuständig für Durchführung und Personal­ organisation im Südpol, und Felix Stockmar, Booking, Finanzen und Technik auf der MS Stubnitz, gehören seit Herbst 2020 zum Vorstand des Clubkombinats. Im Interview sprechen sie über die Situation der Hamburger Musikspielstätten nach zwei Jahren Pandemie Schwerpunkt ist die Awareness-Arbeit. Hier gründen wir gerade einen Round Table zum Thema und entwickeln mit weiteren Akteuren ein Weiterbildungsprogramm. Felix: Ich habe mich vor allem viel mit der Zu- kunft der Live-Musik und Clubbranche ausei- nandergesetzt. Denn dieser große Einschnitt birgt auch die Chance, Dinge und Strukturen neu zu denken. Sich mal die Frage zu stellen: „Wollen wir bloß so ,prekär‘ weitermachen wir vor der Pandemie, oder schaffen wir es, dass sich Post-Corona wirklich strukturell etwas än- dert.“ Durch den Stillstand ist vielen erstmals bewusst geworden, was die Kultur jenseits des durchsubventionierten kulturellen Erbes, die sonst ja immer selbstverständlich da war, eigentlich für einen Wert hat. Dieses Bewusst- sein auch in die Politik und damit auch in Ge- setzesänderungen zu bringen, ist immens wichtig. Wie geht es der Hamburger Clublandschaft nach zwei Jahren Corona? Anna: Ich würde sagen „erschöpft“ trifft es ganz gut. Klar sitzen wir auch in den Startlöchern, aber die letzten zwei Jahre waren für alle sehr kräftezehrend. Wenig war möglich und das mit enorm hohen Auflagen verbunden. Leere Tanz- flächen und eine Absage nach der nächsten, das zieht enorm viel Energie. Felix: Ja, genervt und müde. Das viele Hin und Her, die zunehmend fehlende Logik und Struk- tur hinter der Pandemiebekämpfung und das ständige „für die Tonne-Arbeiten“ wird immer frustrierender. Wie lange kann es noch so weitergehen? Anna: Wir in Hamburg haben mit den bundes- weiten Hilfen und dem Hamburger Club-Ret- tungsschirm erst mal alle laufenden Kosten gedeckt. Schwierig ist es, das Personal zu hal- ten oder wiederzufinden, denn gerade selbst- ständige Veranstaltungsleute sind schon lange in andere Branchen abgewandert. Außerdem: Was sind die Clubs ohne die Bars und Kneipen? Da geht gerade ein großer Schwung unter, ei- nige halten sich noch luftschnappend an der Kante. Ohne die Vielfalt dieser Läden ist auch der Clubbesuch nicht mehr dasselbe. Um eine Kultur der Nacht zu erhalten, muss sich schnell was ändern. Felix: Ja, die finanziellen Hilfen decken vieles, aber das Geld ist imKulturleben auch nur eine Seite. Die andere besteht darin, für andere Menschen durch kulturelle Inhalte besondere und vor allem auch soziale Erlebnisse zu schaf- fen. Das ist das Eigentliche, für das wir leben und das uns Kraft gibt. Je länger dieser Teil Anna und Felix, wieso lässt man sich mitten in der Pandemie in so einen Vorstandspos- ten wählen? Anna: Wann denn sonst? Jetzt ist es akut und Arbeit, die reingesteckt wird, macht sich schnell bemerkbar. Wir können hier wirklich was für unsere Clubs erreichen und das macht neben der An- strengung einfach super viel Spaß. Felix: In der großen Pause ist ja eben auch ’ne Menge Luft, um sich mal aus seinem eige- nen Kosmos rauszubewegen und für die Konzert- und Club- landschaft generell etwas zu bewegen. Das eigene Wissen mit anderen zu teilen, zu unter- stützen und in eine gemein­ same Zukunftsgestaltung mit einzubringen. Mit welchen Zielen seid ihr angetreten? Anna: Meine persönlichen Zie- le waren unter anderemmehr politische Wertearbeit – hier haben wir vergangenes Jahr eine wichtige Satzungsän­ derung in der Mitgliederver- sammlung verabschiedet. Zudem lag mein Fokus viel auf Öffentlichkeitsarbeit, also Pressemitteilungen oder Inter- views. So haben wir die Ham- burger Clubs in die bundes­ weiten Nachrichten gebracht und konnten zur öffentlichen Wahrnehmung unserer Kultur- orte beitragen. Mein dritter Foto: Carl Weidner 10 PARTY fehlt, desto schwieriger wird es die Energie zum Durchhalten aufzubringen. Was fordert ihr von der Politik? Anna: Wir brauchen ernsthafte Perspektiven und ehrliche Zusagen. Nach zwei Jahren und Impfungen stehen wir immer noch vor lauter Fragezeichen. Soll das jetzt jeden Herbst so gehen? Die Temperaturen sinken, die Zahlen steigen, die Läden gehen wieder zu? Wann end- lich bekommen kulturelle Erlebnisse densel- ben Stellenwert wie Lohnarbeit? Wann geht es endlich wirklich um die Menschen und nicht nur um die Wirtschaft? Felix: Ständig wiederholen wir die formalen Forderungen nach Inhaber:innengehalt, Le- bensunterhalt für Selbstständige, keine Rück- forderungen der ersten Corona-Hilfen (!), Ab- schaffung des bundesweiten Flickenteppichs, klare Perspektiven, Gleichbehandlung der Kul- tursparten und grundsätzlich die Anerkennung der Wichtigkeit von Kunst, Musik und Kultur für unsere Gesellschaft. Auf welche kurzfristigen Perspektiven hofft ihr? Anna: Wir hoffen natürlich, dass wir bald wie- der tanzen dürfen, mit vielen Leuten und ohne Abstand. Felix: Mit Blick auf Frühjahr und Sommer wün- schen wir uns unkomplizierte und frühzeitige Open-Air-Förderungen und sowieso eine Ver- längerung der aktuellen Förderungen in vollem Umfang. Die Wiedereröffnungsszenarien müs- sen bundeseinheitlich geplant und rechtzeitig und transparent kommuniziert werden, sodass uns Zeit bleibt uns vorzubereiten. Und dass diese Vorbereitung von einemwie auch immer gearteten „Konjunkturpaket“, Vorschläge an die Politik gibt es zur Genüge, begleitet wird. Habt ihr bei den Öffnungen imHerbst Unter- schiede zur Zeit vor der Pandemie bemerkt? Anna: Die Freude der Menschen war unfass- bar groß! So viel angestaute Energie, so viel Hunger nach anderen Leuten, Begegnungen, Ekstase, Rausch, laute Musik und beim Tanzen die Welt da draußen einmal kurz vergessen machen. Und damit Energie sammeln, umwei- ter durchzuhalten. Wie ich das bei unseren Openings beobachtet habe, fielen die ersten Unsicherheiten nach ein bis zwei Stunden im Laden von den Leuten ab. Körper und Kopf erinnern sich und lassen los. Gleichzeitig war genauso schnell bemerkbar, als die Infektionszahlen wieder stiegen. Gäste blieben vermehrt aus, enorm viele „No-Shows“, also Tickets, die nicht wahrgenommen werden. Na ja, und dann haben wir ja auch alle direkt wieder zugemacht. Interview: Ole Masch clubkombinat.de Jetzt NEU – im Handel oder online über www.meine-zeitschrift.de szene-hamburg.com ALLE SCHULEN IM ÜBERBLICK 2022 HAMBURG&UMLAND SCHULZEITMITDEMVIRUS Schüler lernen verstärktdigitalund holen ihreLernrückständeauf INSPIRATIONFÜRTEENAGER NeuepädagogischeKonzepte fordern dieKreativitätheraus GESUNDDURCHDIEPANDEMIE Nichtnurdie Impfung, sondernauch viel Bewegungund sozialeKontaktehelfen ISBN978-3-946677-67-3 SPEZIALNR.2 2022 |€7,50 SPEZIALNR.2 SZENEHAMBURGSCHULE2022 €7,50 001_SZHHSchule2022Titel 1 02.12.2021 17:04:30 TANZ HOCH DREI mit Premieren von: 24.03. – 03.04.2022 www.k3-hamburg.de 11

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