März 2020

37 KRITIKEN Foto: +X+Filme,+X+Verleih Foto: Laurent Champoussin Die Känguru-Chroniken Der erfolglose Berliner Kleinkünstler Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) staunt nicht schlecht, als eines Tages ein (hier computeranimiertes) Beuteltier vor der Tür steht und nach ein paar Eiern fragt. So weit, so bekannt – jedenfalls der Fanbase, die das kommunis- tische Känguru in mittlerweile vier (Hörbuch-)Bestsellern um sich scharen konnte. Ein großer Sprung ist Marc-Uwe Kling als Drehbuchautor mit der Filmadaption seiner episodischen Geschichten um sein Alter Ego und dessen tierischen WG-Ge- nossen allerdings nicht gelungen. Zu simpel ist der lose an die beiden ersten Kän- guru-Bücher angelehnte Plot; zu schematisch gerät der Konflikt mit Immobilienhai/ AfD-Chef-Karikatur Jörg Dwigs (Henry Hübchen) und seinen hirnlosen Followern. Nazis sind doof – wir ahnten es ja schon. Aber ganz so einfach, wie es uns Kling und Regisseur Dani Levy hier verkaufen wollen, ist es dann eben leider doch nicht. Zugunsten des familienfreundlichen Unterhaltungsanspruchs wird das Thema derart weichgespült, dass es fast an Verharmlosung grenzt. Schade, aus Kängu- ru-Kleinkrieg gegen Rechts hätte man einiges mehr herausholen können. (kj) AB 5. MÄRZ D 2020; 92 Min.; R: Dani Levy; D: Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Adnan Maral ★★★ ★★ La Vérité - Leben und lügen lassen Die gealterte Filmdiva Fabienne (Catherine Deneuve) hat ihre Memoiren geschrieben. Sie stellt sich als liebevolle Mutter dar. Das sieht ihre Tochter Lumir (Juliette Binoche), eine erfolgreiche Drehbuchautorin, die anlässlich der Buchpräsentation von New York mit Mann und Tochter angereist ist, ganz anders. Doch was ist die Wahrheit, und spielt das überhaupt eine Rolle? Familiäre Bindungen sind wie schon in „Shoplifters“ das zentrale Thema, um das der ja- panische Regisseur Hirokazu Kore-eda in diesem Mutter-Tochter-Drama kreist. Raffiniert entwirrt er nach und nach die komplexe, spannungsreiche Beziehung der beiden Frauen, durch die sich unausgesprochene Emotionen wie Schuld, Reue und Enttäuschung wie Fall- stricke ziehen. Binoche und Deneuve – zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera - bril- lieren in ihren Rollen, ziehen alle Register ihres Könnens. Und so ist „La Vérité“, obwohl stellenweise leider recht behäbig und gediegen, durchaus sehenswert. (mas) AB 5. MÄRZ F/J 2019; 108 Min; R: Hirokazu Kore-eda; D: Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke ★★★★ ★ Undine „Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten.“ Die Wimpern sind noch feucht von den Tränen, doch der Blick hat sich verändert: Er ist nun entschlossen, dro- hend, sphinxenhaft. Paula Beer hat für ihre Rolle als „Undine“ meisterhaft die Nixe aus sich herausgeholt. Regisseur Christian Petzold hat die Sage vom Was- sergeist, der nur durch die Liebe eine Seele erhält und den Geliebten töten und ins Wasser zurück- kehren muss, wenn er sie verlässt, für seinen Film verändert: Undine will den treulosen Johannes (Ja- cob Matschenz) nicht umbringen. Doch sie muss – bevor sie aber auf die Jagd gehen kann, lernt sie den Industrietaucher Christoph (Franz Rogowski) kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick, doch das Schicksal nimmt seinen Lauf … Dass es sich in diesem Film bei der Figur der Undine um einen echten Wassergeist und nicht etwa eine schizophrene Psychopathin handelt, sollte der Zuschauer wissen. Denn zwingend klar wird das zunächst nicht, auch wenn es Petzold durchaus gelingt, der Liebesgeschichte einen wunderbar mythischen Zauber zu verleihen. Doch so überzeugend Beer und Rogowski auch spielen: Das letzte Fünkchen Magie fehlt der allzu konstruierten Geschichte. (mas) AB 26. MÄRZ D/F 2020; 90 Min.; R: Christian Petzold; D: Paula Beer, Franz Rogowski, Jacob Matschenz ★★★★ ★ TIPP Am 22. März heißt es zum fünften Mal: Eine Stadt sieht einen Film. In 17 Hamburger Kinos wird Fatih Akins Lang- filmdebüt „Kurz und schmerz- los“, ein Kiez-Thriller von 1998, in restaurierter Fassung zu se- hen sein – mit vielen Gästen (16 ehemalige Crewmitglieder) und einem bunten Rahmenpro- gramm inklusive einer Ausstel- lung,einer Drehortbegehung mit Fatih Akin und einer Abschluss- party in der Fabrik. Mehr Infos zu den Spielzeiten und Extras im Netz. (mas) eine-stadt-sieht-einen-film.de

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