März 2019

35 THEATER 3 FRAGEN N ... Gender Mainstreaming ist seit Ende der 90er Jahre ein erklärtes Ziel der EU und meint die Gleichstellung der Geschlechter. Wie setzen die Inszenierungen der Fokusreihe diesen Begriff um? Uta Lambertz: Es ist immer noch oder sogar mehr denn je wichtig, für Geschlechtergerech- tigkeit einzutreten. Das wird offensichtlich, wenn wir Geschlecht nicht auf „Mann“ und „Frau“ re- duzieren, sondern in den Blick nehmen, wie sehr trans- und inter-Personen, aber auch alle Nicht-Heterosexuellen tagtäglich um ihre Wür- de und Anerkennung kämpfenmüssen. Das Stück „MDLSX“ der ital-ienischen Gruppe Motus zum Beispiel rückt eine Person zwischen den Ge- schlechtern in den Fokus. Die großartige Schau- spielerin Silvia Calderoni zeigt, was für ein Kampf es sein kann, nicht in Kategorien zu passen, stellt gleichzeitig ins Zentrum, wie schön es ist, sich nicht begrenzen zu lassen. Meine zweite Emp- fehlung ist ein ungewöhnlicher Stadtspaziergang, für jeweils eine Person: „Walking: Holding“. Die Theatermacherin Rosana Cade hatte die Idee, Gäste Hand in Hand mit Unbekannten durch die Straßen spazieren zu lassen. Sie können erleben, wie es sich anfühlt, den Blicken Unbeteiligter Dramaturgin auf Kampnagel und Kuratorin der Fokusreihe „Gender Mainstreaming“ ...Uta Lambertz ausgesetzt zu sein, wie es Nicht-Heterosexuelle oft erleben. Wie weit ist unsere Gesellschaft in Sachen Geschlechtergleichstellung? Manwürdemeinen, Deutschland sei da auf einem gutenWeg. Aber viele Errungenschaften sind noch sehr jung: Zum Beispiel sind sexuelle Nötigung und Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1998 auch als solche strafbar; das Bild der Frau als Eigentumoder Untergebene desMannes steckt noch in vielen Köpfen. Und aktuelle Diskussionen umdie Abtreibungs-Paragraphen §218 und §219a zeigen, wie eingeschränkt die Selbstbestimmung der Frau bis heute ist. Übergriffe gegen queere Menschen sind immer noch an der Tagesordnung. Gerade rechte Bewegungen ziehen den Begriff des GenderMainstreaming gerne ins Lächerliche, umgegen Geschlechtergerechtigkeit zu poltern. Dahinter steht eine Ideologie, die alles ablehnt, was nicht in die Norm passt. Um zu verstehen, dass eine demokratische Gesellschaft sich ent- schieden dagegen wehren muss, dazu reicht ein Blick in die USA, die Türkei oder nach Ungarn, wo Menschen wegen ihrer Genderzugehörigkeit um ihre Leben fürchten müssen. Was entgegnest duMenschen, die finden: Jetzt reicht es auch wieder mit Gender- und #Me- Too-Debatte? Oft kommt das von Menschen, die nicht selbst von der Debatte betroffen sind. Ich halte die Debatte aber für wichtig und wennmir das jemand sagt, frage ich sie, warum sie das glauben? Und ob sie meinen, dass die Menschen, die zum Beispiel homo- oder transphobe Angriffe, sexu- elle Übergriffe oder Vergewaltigungen erlebt haben, das wohl genauso sehen. Zu solchen Diskussionen wollen wir auch im Rahmen von Gender Mainstreaming einladen. Interview: Sophia Herzog 7.-10. MÄRZ GenderMainstreaming; Kampnagel Oder über szene-hamburg.com PLUS: Hamburger Persönlichkeiten verraten Insidertipps +++ Verlosung: Gutscheine fürTop-Restaurants togo ISBN978-3-946677-28-4 SPEZIALNR.10 2018/2019 |€6,90 Im Handel!

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