hamburg:pur Februar 2025
Foto: Oliver Fantitsch Wer hat Angst vor VirginiaWoolf? Ehekrieg mit Schockmomenten Noch lachen sie: Als Martha und George um zwei Uhr nachts von einer Party ins präsentable Eigenheim torkeln, fallen sie kichernd gemeinsam aufs Sofa. Schlagartig ändert sich die Stimmung, als George erfährt, dass seine Frau noch Gäste eingeladen hat: den jungen Nick und seine Ehefrau, die an- stelle eines Vornamens nur den Kosenamen „Süße“ („Ho- ney“ im Original) vom Autor zugeteilt bekam. Das Vier-Per- sonen-Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist Edward Albees bekanntestes Drama, die gleichnamige Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton ein Klassiker. Darin rechnet Albee schonungslos mit US-amerikanischen Akademiker-Kreisen ab. In der verbleibenden halben Nacht kämpfen die etablierten Eheleute vor ihren Besuchern eine vernichtende Schlacht mit perfiden Mitteln: Sie beleidigen, demütigen und zerfleischen sich verbal wechselseitig – durch enthemmenden Alkohol zusätzlich stimuliert. Da sie ver- wandte Seelen sind, können sie sich besonders gut verlet- zen. Trotz empfundener Peinlichkeit bleiben die beiden Gäste, auch sie geben unter dem Einfluss von Hochprozentigem intime Geheimnisse preis – und liefern sich somit aus. Ver- schiedene, allesamt brüchige Allianzen betont Harald Wei- lers tolle Inszenierung: die kurzfristige Verbrüderung der bei- den Männer, die erotische Eskapade zwischen Nick und Martha, die herablassende Hilfestellung der Hausherrin gegenüber Nicks namenloser Frau. Diese Figur spielt Na yana Heuer großartig, als Neuzugang die Entdeckung des Abends. Anika Mauer und Luc Feit überzeugen als brillant boshaftes Paar ebenso wie Lennart Hillmann in der Rolle des ambitionierten Aufsteigers. Die Sprache der neueren Übersetzung von Alissa und Martin Walser ist drastisch und korrespondiert mit dem Bühnenbild: Ohne etwas Persön liches strahlt das Haus die Stimmung des einzigen Einrich- tungsgegenstands aus: ein Deko-Fisch, kalt wie die Atmo- sphäre. Text: Dagmar Ellen Fischer 1., 2., 4.–9., 11., 13., 14. FEBRUAR; Ernst Deutsch Theater Foto: Franziska Strauss THEATER Eine Mords-Freundin Höflich bleiben auf Leben und Tod Die britische Höflichkeit ist eine kostbare Errungenschaft. Dass dieses Kulturgut allerdings unter bestimmten Bedingungen le- bensbedrohlich werden kann, zeigt das Theaterdebüt des Dreh- buchautors Steven Moffat, das jetzt an der Komödie Winterhuder Fährhaus als deutsche Erstaufführung zu sehen ist. In dem von Anatol Preissler amüsant inszenierten Stück „Eine Mords- Freundin“ kämpft das Londoner Ehepaar Peter (Stefan Kiefer) und Debbie (Jessica Ginkel) mit einem Dilemma. Als wäre es nicht schon anstrengend genug, dass sich eine verwitwete Urlaubsbekanntschaft auf unbestimmte Zeit bei ihnen einge- nistet hat, wird nämliche Elsa Jean Krakowski (vereint charme- sprühend Hintergründigkeit und Offenheit: Marion Kracht) zu- dem des Serienmordes verdächtigt. So wähnen nun die unfrei- willigen Gastgeber die eigenen Kinder in Gefahr und versuchen immer verzweifelter, die vermeintliche Killerin aus demHaus zu komplimentieren – obwohl sie eigentlich dazu neigen, Konflikte auszusitzen. Darüber hinaus hat Elsa das Talent, die Missstände in der Familie aufzuspüren und auf entwaffnende Art zu beheben, ist heilsam für alle und zeichnet für die wundersame Verwand- lung der bocklos-nervtötenden Teenager Alex (beeindruckend wandelbar: Mathias Renneisen) und Rosie (gut als Zynikerin: Stefanie Darnesa) in lebensbejahende Sonnenscheinchen ver- antwortlich. Dass an der „mörderischen Mary Poppins“ (Debbie) jede zaghaft vorgetragene Kritik abprallt, gibt vor allem Kiefer immer wieder die Gelegenheit, sein komödiantisches Können zu zeigen: Wenn er als Peter versucht, Tacheles zu reden und zugleich stets höflich zu bleiben, windet er sich wie ein Wurm, tanzt auf der Stelle, läuft rot an und rauft sein schütteres Haar. Das ist urkomisch und trägt die schwarze Komödie auch über schwächere Textstellen heiter hinweg. Text: Julika Pohle 1., 2., 4.–9., 11.–16., 18.–23. FEBRUAR; Winterhuder Fährhaus Martha (Anika Mauer, 2. v. l.) und George (Luc Feit, 2. v. r.) wissen, wo es wehtut: „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Unfreiwillige Gastgeber in Bedrängnis: „Eine Mords- Freundin“ 20 Foto: Sinje Hasheider THEATER Aus demNichts Wenn der Rechtsstaat versagt „So darf es nicht enden!“ Nach gut 60 gespielten Minuten diskutie- ren die vier Ensemblemitglieder des Jungen Schauspielhauses den Abschluss der jüngsten Inszenierung. Helles Arbeitslicht auch im Zuschauerraum signalisiert den Bruch nach dem eigentlichen Spiel – eine geschickt eingefügte Wendung, um das Publikum ab 14 Jah- ren einzubeziehen und stückimmanente Fragen weiterzureichen. Intendant Klaus Schumacher inszeniert „Aus demNichts“ nach dem gleichnamigen, preisgekrönten Film von Fatih Akin in einer eigens erstellten Bühnenfassung: Bei einem Bombenanschlag verliert die junge Katja ihren Mann und das gemeinsame Kind. Anstatt mögli- che Täter zu ermitteln, stellt die Polizei die Familie der Opfer unter Generalverdacht. Drogendelikte und eine frühere Haftstrafe von Katjas kurdischem Mann lenken die Untersuchungen in Richtung auf eine politisch oder religiös motivierte Tat. Katja indes hat einen anderen Verdacht, der sich schließlich bestätigt: Tatsächlich ver- übten Neo-Nazis den Anschlag gezielt in einem vor allem von Tür- ken bewohnten Stadtteil. Die beiden Täter, ein junges Ehepaar, wer- den verhaftet, doch nach einem Prozess mit zweifelhaftem Verlauf aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Während Akins Film mit Katjas persönlichemRacheakt endet – sie baut eine Bombe gezielt nach deren Vorbild aus den üblichen, imBaumarkt erhältlichen Be- standteilen und tötet damit das Nazi-Paar und sich selbst – , lässt die Inszenierung am Jungen Schauspielhaus mehrere Ausgänge der Geschichte zu: Legt Katja tatsächlich die Bombe? Geht sie mit anwaltlicher Hilfe in Revision? Oder gibt sie schließlich auf? Anas- tasia Lara Heller spielt sich als Katja die Seele aus dem Leib, drei Ensemblemitglieder übernehmen sämtliche anderen Rollen. Ein- drucksvolle Projektionen mit Wassermotiven rahmen das eindring- liche Spiel der Vier ein und setzen einen poetischen Kontrast zum brandaktuellen Sujet. Text: Dagmar Ellen Fischer 23., 25., 26. FEBRUAR UND WEITERE TERMINE; Junges Schauspielhaus Katja (Anastasia Lara Heller, vorn) will die Schuldigen finden: „Aus dem Nichts“ TICKETS UNTER WWW.S-PROMOTION.DE sowie an allen bekannten VVK-Stellen TICKETHOTLINE 06073 722-740 23.02.25 HAMBURG BARCLAYS ARENA 24.02.25 HAMBURG F.-EBERT-HALLE 29.03.25 HAMBURG BARCLAYS ARENA MARIO BASLER THOMAS HELMER DIE DOPPELPASS BÜHNENSHOW DR. LEON WINDSCHEID P S Y C H O L O G I E L I V E Oder online über shop.szene-hamburg.com IM HANDEL EINGESCHENKT BesteBars, Brauereienund tolleTropfen AUFGETISCHT Testsieger,Newcomer und jedeMenge Dinner-Tipps HOCHGEKOCHT DieBesten:Hamburgs Preisträgerbeim Genuss-Michel2024 DIEBESTEN RESTAURANTS DERSTADT SZENEHAMBURGSPEZIAL ESSEN+TRINKENTOPTEN2025 €9,90 ISBN978-3-911219-04-4 SPEZIALNR.5 2025 |€9,90 4 193232 309907 05 001_ET_Titelseite_TT-24 1 20.11.2024 17:07:47 21
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