hamburg:pur Februar 2025
Foto: Christian Rothe Marga Glanz (l.) und Anja Knupper Foto: Christian Rothe PARTY RECORD STORE Schall- platten- fachgeschäft Bereits Jahrzehnte ist Groove City feste Anlaufstelle für Vinyl-Liebhabende dieser Stadt. Seit Dezember gehört der Plattenladen im Karoviertel offiziell zu den besten Deutschlands. Inhaberin Marga Glanz und Kollegin Anja Knupper feiern dies mit einem zweitägigen Fest im Knust Kulturort in der Marktstraße: Groove City Marktstraße gezogen, weil ich in der Nähe der anderen Plat- tenläden sein wollte. 2005 habe ich Groove City dann ganz übernommen. Kürzlich habt ihr den neu geschaffenen EMIL als bestes Schallplattengeschäft gewonnen. Was ist das für ein Preis? Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ehrt in Zusammenarbeit mit dem Verband unabhän- giger Musikunternehmer*innen (VUT) Schallplattenfachge- schäfte als wichtige soziale und gesellschaftliche Orte und rückt ihre Bedeutung für die kulturelle Vielfalt und Bildung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der EMIL, nach Emil Ber- liner, dem Erfinder der Schallplatte, wurde imDezember 2024 zum ersten Mal ausgerichtet. Er umfasst 13 dotierte Preise für herausragende Plattenläden aus Deutschland. Wir Plat- tenläden bewarben uns mit unserem Ladenkonzept und einer Beschreibung, warum unser Engagement in unseren Läden besonders ist. Eine Jury hat dann die 13 und einen undatier- ten Preis aus allen Bewerbungen ausgelobt. Es gab zehnmal je 15.000 Euro für „Bester Plattenladen“ und dreimal je 25.000 Euro für „bestes innovatives Konzept“, „Strukturschwache Region“ und „Neugründung“. Was bedeutet die Auszeichnung für dich? Es ist eine Wertschätzung und Anerkennung für uns als Kul- tur und soziale Orte. Wir verbinden damit auch die Hoffnung auf politische Unterstützung von Kulturorten. Zum Beispiel wünschen wir uns eine gerechte Steuerpolitik – zurzeit Bücher 7 Prozent, Schallplatten 19 Prozent –, Gewerbemie- tendeckelung und Schutz vor Vertreibung. Groove City verbinden viele mit HipHop. Auf welche Genres seid ihr noch spezialisiert? Afro, Funk & Soul, Jazz – aktuellen aus dem UK. Brasil, Kari- bik, Latin. Middle Eastern Grooves und Global Electronic. Be- stimmte Labels führen wir komplett: Analog Africa. Batov. Big Crown. Colemine. Daptone. Habibi Funk. Numero Group etc. Wie kommt ihr an besondere Raritäten? Wir bestellen bei sehr vie- len kleinen Labels und Ver- trieben und kaufen Se- condhand-Platten an. 20 Jahre in der Marktstra- ße. Wie seid ihr im Karo- viertel vernetzt? Das Karoviertel ist ein Vier- tel mit einer lebendigen Nachbarschaft. Wir haben hier noch fünf andere Plat- tenläden und mit dem Knust einen Ort für Live- Konzerte aus unseremmu- sikalischen Spektrum und mit deren Booker Tim Peterding einen Menschen, der Com- munitys vernetzt und zusammenbringt. Gibt es keine Konkurrenz zwischen den anderen Platten- läden? Nein, wir haben alle unsere eigenen Schwerpunkte und schi- cken uns gegenseitig Kunden. Deswegen haben wir auch vor vielen Jahren den Plattenladenguide initiiert. Es gibt einen Taschenguide auf Papier und eine Internetseite (hamburg- record-stores.de ). Wer kauft bei euch ein? Menschen, die sich für Musik und die Eröffnung neuer Hori- zonte interessieren. Marga, wann begann die Groove City-Geschichte? Marga Glanz: Herbert Zorn hat Groove City 1992 als HipHop-, Funk & Soul- und Jazz-Laden gegründet. Er ist damals regel- mäßig in die USA gereist, um dort Original-LPs zu kaufen. Du hast den Laden vor etwa 20 Jahren übernommen. Wie kam es dazu? Ich habe in den 90ern schon ein paar Jahre bei Groove City gearbeitet und Herbert Zorn war danach mit Groove City in die Innenstadt gezogen. Anfang der 2000er habe ich Herbert für ein Jahr vertreten und in der Zeit sind wir dann in die 12 PARTY Hat sich der Verkauf seit Corona verändert? Ja, leider. Viele Menschen leiden immer noch an finanziellen und psychischen Einschränkungen der Corona-Zeit. Wirkt sich auch das veränderte Ausgehverhalten in der Clubszene auf euch aus? Das ist nicht leicht zu bewerten. Aber wenn die Räume weg- fallen, an denen Musikkultur abseits des Mainstreams statt- findet, dann spüren wir das, weil dann der Austausch wegfällt. Wie zeigen sich Preissteigerungen bei euch? Viele unser Kund:innen können sich weniger Vinylschallplat- ten leisten und das führt leider dazu, dass die zweite oder dritte Platte von Künstler:innen nicht gekauft wird und wir eher unbekannte Künstler:innen weniger verkaufen. Wir ver- suchen demmit unseren Empfehlungen entgegenzuwirken. Was wäre so eine aktuelle Empfehlung? „Holocene“ von Theodor, veröffentlicht auf Broc Recordz. Die Musik, PsycedelicSweetSoul, steht dem Cover, gemalt von Harald Hermann, wirklich vorzüglich zu Gesicht. Wenn eine Snare so reinklatscht wie beim Auftakt „Tropical Bird“ sind wir ja direkt dabei und auf Temperatur. Der Titel dieser Schei- be bedeutet so was wie Warmzeitalter. Sehr zeitgemäß, vor allem auch, wenn wir bedenken, dass eine deutsche Band so heißes Material komponiert. Guckt euch auch gern mal die erste Scheibe von denen an. Am besten mit den Ohren. Ha- ben wir im Laden. An dieser Stelle auch noch der unüberles- bare Hinweis, dass Theodor am 28. Februar im Knust sind. Was gibt es außer Platten bei euch zu erwerben? Bücher und Magazine. Unsere T-Shirts und Hoodies. Platten- taschen für 7“-Singles, ein paar wenige CDs und die Räucher- DJs von Kascha Beyer (kascha-beyer.com) . Im Februar steigt nun das zweitägige Groove City Fest im Knust. Was sind deine Highlights? Natürlich alle drei Bands! Kelly Finnigan war unser letztes Konzert vor Corona – es war ein bezaubernder und sehr schweißtreibender Abend im Knust mit einem alles geben- den Orgel spielenden Soulsänger und seiner Band. Unver- gesslich. Und Bobby Oroza, ein Soulsänger aus Finnland, der die Sehnsucht nach dem Tiefgründigen auf den Punkt bringt. Wenn ihr noch nie das Vergnügen hattet, eine von Bobbys Live-Shows zu erleben, habt ihr vielleicht keine Ahnung, dass er ein echter Freigeist an der Gitarre ist. Außerdem die Flammer Dance Band, eine siebenköpfige AfroFunkPsych- band aus Norwegen mit hypnotischer Live-Show. Und natür- lich die Groove City DJ-Crew. Ihr hattet schon Konzerte im Laden. Ist so etwas in Zukunft geplant und an welche erinnerst du dich am liebsten? Wir wollten von dem EMIL-Preisgeld eine kleine Tiny Desk Konzert-Reihe planen und noch eine Aushilfe einstellen. Lei- der mussten wir davon aber die Corona-Soforthilfe zurück- zahlen. Wir haben uns vorgenommen, so oder so etwas auf die Beine zu stellen. Unsere liebsten Konzerte waren: Fazer (Jazzband aus München). Isaac Birituro and the Rail Abandon (Ghana/UK). Farhot (Hamburger Produzent). Mighty Mocam- bos. Und Dera Yildirim, die zusammen mit Grup Simsek und dem Ensemble Resonanz am 13. März in der Elbphilharmo- nie auftritt. Interview: Ole Masch 6. + 7. FEBRUAR 21:00 Uhr; Groove City Fest, Knust; groovecityrecordstore.com Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg Jetzt abonnieren: HEUTE IN HAMBURG Newsletter szene-hamburg.com/newsletter FREI ZEIT GUIDE Mehr als 600 Tipps für Hamburg SZENE HAMBURG SPEZIAL FREIZEIT-GUIDE 2025 € 12,80 4 193806 112803 01 ISBN978-3-911219-08-2 SPEZIALNR.1 2025 |€12,80 001_FGTitel2024 1 20.12.2024 19:57:18 Im Handel oder online über shop.szene-hamburg.com Jetzt NEU! 13
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