hamburg:pur Februar 2024
Foto: Quijote Films/MUBI Colonos Der Debütfilm „Colonos“ des chilenischen Filmemachers Feli- pe Gálvez ist eine handfeste Überraschung. Aufgrund seiner ikonischen Bilder à la Sergio Leone und seiner kompromisslo- sen, brutal-direkten, wenngleich leicht holprigen Erzählweise wurde der Film in Cannes gefeiert. Dieser Film könnte der Start- schuss einer vielversprechenden Regiekarriere sein. 1901: Der chilenische Großgrundbesitzer José Menéndez (Al- fredo Castro) hat den Plan, am südlichen Zipfel Südamerikas eine Straße zu bauen. Doch die Einheimischen machen ihm zu schaffen. Er beauftragt drei Männer, den Weg für seine ehrgei- zigen Pläne frei zu machen – koste es, was es wolle. Die drei Auserwählten – der britische Leutnant MacLennan (Mark Stan- ley), der Texaner Bill (Benjamin Westfall) und ein Mestize na- mens Segundo (Camilo Arancibia) – könnten ungleicher nicht sein, was schon bald für Spannungen sorgt. Für den Traum eines neuen Amerikas am Ende der Welt aber scheint kein Preis zu hoch. Das Nachsehen hat die indigene Bevölkerung Patago- niens, die gewalt- und grauenvoll zu spüren bekommt, wie gren- zenlos die Gier ist, wie skrupel- und morallos die Methoden der Kolonisation … Felipe Gálvez Regiedebüt wurde in Cannes mit dem Preis der internationalen Filmpresse in der Rubrik Un Certain Regard aus- gezeichnet und ist für Chile im Oscar-Rennen als bester inter- nationaler Film. Das ist nicht verwunderlich: Dieser Film ist er- frischend anders. Die Bilder entfalten – trotz oder gerade wegen der Kargheit der Umgebung – eine ungeheure Kraft. Gálvez ver- zichtet auf eine moralische Beurteilung, lässt die Bilder für sich sprechen. Der Film ist erzählerisch in vier Teile unterteilt, die mit teils rätselhaften Überschriften angekündigt werden. Die Kameraarbeit von Simone D’Arcangelo lässt einen eindringlich ins Geschehen eintauchen, geradezu hautnah dabei sein. Stel- lenweise wirkt der Film optisch entrückt. Mythisch. Nihilistisch. Albtraumhaft. Unvergesslich. (mag) AB 15. FEBRUAR CHL/ARG/GB/TWN/F/DK/S/D 2023; 97 Min.; R: Felipe Gálvez; D: Camilo Arancibia, Mark Stanley, Benjamin Westfall ★★★★★ Johnny &Me – Eine Zeitreisemit John Heartfield John Heartfield war ein bedeutender Grafiker und Erfinder der politischen Fotomontage. George Grosz und Kurt Tucholsky gehörten zu seinem Freundeskreis. Bertolt Brecht nannte ihn einen der bedeutendsten europäischen Künstler. He- artfield (alias Helmut Herzfeld) war bekennender Kommunist und ein kritischer Geist. Er nutzte die Kunst als Waffe gegen das Establishment. Schon seine Umbenennung 1916 in „John Heartfield“ war ein Protest gegen den Nationalismus imDeutschen Kaiserreich. Da er „der Lüge mit Bildern in die Fres- se“ schlug, wie es an einer Stelle der Doku heißt, wurde Heartfield auch für die Nationalsozialisten zum Staatsfeind. Die Doku „Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“ kommt zur rechten Zeit. Doch leider löst sie nicht ganz ein, was sie verspricht. Zwar ist die gewählte Form der Erzählung einfallsreich – Filmemacherin Katrin Rothe nutzt die Fotomon- tage, um Heartfields Geschichte zu erzählen –, doch erscheint das Konzept nicht wirklich ausge- reift. Der Dialog des aus Pappe bestehenden klei- nen Heartfields mit einer aus der Gegenwart stam- menden Grafikerin wirkt aufgesetzt, die Gespräche erinnern optisch, darstellerisch und intellektuell an eine „Pumuckl“-Folge. Die Musik klingt unaus- gewogen, repetitiv und unpassend. Da wäre mehr drin gewesen. (mag) AB 25. JANUAR D/CH/AT 2023; 95 Min.; R: Katrin Rothe ★★★★★ FILM Foto: H&UFilm 26 G u t e s R a d i o f ü r G u t e L e u d e w w w . a h o y r a d i o . d e H ö r t u n s j e t z t a u c h a u f DAB+ Unsere Möglich macher:
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