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6 PODCAST Reinen Wein, bitte! ESSEN+TRINKEN sie sich, weshalb bei der Vertragsunterzeichnung kein Bauvorhaben thematisiert wurde. Sie ist enttäuscht: „Die Stadt hat doch eine Verantwortung.“ Zwar wurde ihr eine Fläche im Paulihaus angeboten, diese betrug jedoch nur ein Viertel der Größe des ehemaligen Restaurants. Zudem wäre die Fläche roh übergeben worden, ohne elektrische Leitungen oder Toiletten. „Letzten Endes wurde mir gesagt, wenn ich auf das Angebot von 70.000 Euro nicht eingehe, fliege ich aus dem Gebäude“, sagt sie. 2018 erhielten die Restaurantbetreiber eine Sonder kündigung für Juni 2019, obwohl der Vertrag zwischen demMaharaja und der Sprinkenhof bis Ende 2021 lief. Da die imVertrag eingefügte Sonderkündigungsklau sel einseitig war, zog Kathrin vor Gericht – und bekam vor dem Landgericht Hamburg Recht. Der Mietvertrag sei dadurch nicht gültig. Leider hielt die Freude nicht lange an, als die Stadt in Berufung ging und das Urteil vom Oberlandesgericht revidiert wurde. Die Sonder kündigung sei rechtens, eine weitere Revision aus geschlossen. Kathrin beschreibt den Tonfall der gegnerischen Par tei imGerichtssaal als bedrohlich und auch Clara von der Initiative spricht von Mechanismen der Einschüch terung. Denn in zweiter Instanz hatte Kathrin das Ge fühl, das Urteil hätte nichts mit der vorangegangenen Verhandlung zu tun gehabt. „Die Richterin war eine faszinierende Frau, die Verhandlung lief hervorragend. Bei der Urteilsverkündung habe ich sie kaum wieder erkannt, sie sah 15 Jahre älter aus“, erzählt sie, „für mich steht fest, dass das diktiert wurde und da jemand anderes mit im Spiel war.“ Die Stadt sei dem Ehepaar in keiner Weise entgegen gekommen, vielmehr sei Druck ausgeübt worden. So zumBeispiel bei der Schlüsselübergabe, die imViertel enorme Aufmerksamkeit generierte. Wie ein Lauffeuer sprach sich das Ereignis herum, sodass Mitglieder der Initiative und Bewohner des Viertels als Stütze vor Ort waren. „Ich wollte mich in Ruhe von dem Laden ver abschieden“, erzählt Kathrin, „doch die maskierten Mitarbeiter der Sicherheitsfirma S.P.U. umstellten mich wie eine Verbrecherin.“ Diese kamen imAuftrag einer anderen Sicherheitsfirma, die die Sprinkenhof enga giert hatte. Auf Nachfrage wollte sich die S.P.U. nicht zu demVorfall äußern und verwies auf zu diesemVor fall bereits geführte Interviews und Pressemitteilun gen. „Die persönliche Schutzausrüstung (…) sollte kei nesfalls auf Anwesende einschüchternd oder aggres siv wirken“, heißt es dort. Sie diene zum Schutz der Mitarbeitenden. Anwesende des Tages sprachen sich allerdings gegenteilig aus. Im Nachhinein entschul digte sich das städtische Unternehmen Sprinkenhof für den Aufmarsch. Kathrin und ihr Ehemann haben sich nicht unterkrie gen lassen, im Gegenteil: Die beiden haben bereits zwei neue Restaurants in der Hein-Hoyer-Straße auf St. Pauli eröffnet, das Mahadosa und das Maharaja. Und hinter ihnen steht ein Stadtteil, der auf Solidari tät baut und seine Individualität wahren möchte. Text: Karoline Gebhardt www.mahadosa.com www.maharaja-stpauli.de Weinfachhandel – klingt etwas spießig. Doch der Weinladen St. Pauli von Stephanie Döring ist es garantiert nicht. Sie erzählt, warum ein gutes Produkt nicht 20 Euro kosten muss und elitäres Expertenwissen nicht hilft Wenn wir essen gehen oder Leute zu uns nach Hause einladen, gehört für die meisten ein guter Wein dazu. Aber da fängt schon das Dilemma an. Welcher Wein passt zu welchemGericht, lie ber weiß oder lieber rot, mit oder ohne Perlen, lieber einer aus der Pfalz oder einen französischen Klassiker? Die Unsicher heit ist oft ziemlich groß. Und wer Ahnung hat, lässt das gerne mal großspurig raushängen. Kurz gesagt: Unser Verhältnis zu Wein ist verkrampft. Ganz imGegensatz zu unseren Nachbar ländern, wo selbst in der jungen Generation ein größeres Selbst verständnis im Umgang mit guten Weinen herrscht. Das wollte die Sommelière Stephanie Döring ändern. Weil sie so lange in London gelebt und beim legendären Fernseh- koch Gordon Ramsay gearbeitet hat, nennen sie alle nur Steph. Wein ohne Dresscode ist das Motto ihres Weinladens auf St. Pauli. Ihre Kundschaft ist bunt gemischt: Viele junge Leute sind darunter, Gastronomen, aber auch Weinliebhaber aus der Nachbarschaft. Vor drei Jahren kam ein zweiter Laden in Köln dazu und kurz darauf ein weiterer in Binz an der Ostsee, der ihr Konzept als Franchise betreibt. Auf den ersten Blick wirkt der schlauchförmige Raum eher wie eine Bar mit einer kleinen Theke und dezenten Weinregalen im Eingangsbereich. Weiter hinten sorgen Backsteinwände, ein riesiges Street-Art- ähnliches Wandbild, eine Couch und bunte Kissen für eine gemütliche und lockere Atmosphäre. Hier finden auch regelmäßig Wine-Tastings statt, die Steph und ihr Team moderieren. Man sitzt an langen Tafeln, pro biert die Weine, hört sich Geschichten von den Winzern an und zwischendurch gibt es eine Brotzeit. Das Motto: Hemmungen ab bauen und Klischees hinter sich lassen. Für den Einstieg hat sie beispielsweise Winzer sekt von Scheuermann in petto. „In den 70er- und 80er-Jahren hat man deutschen Sekt vor allemmit Marken wie Mumm, Rot käppchen oder Deinhardt verbunden“, er zählt die Sommelière und ergänzt: „Das war EIN PODCAST VOM Podcast_1_4_.indd 1 21.01.21 17:36 Unterstützt von BARES IS NIX RARES (CASH – UND EWIG RAUSCHEN DIE GELDER) KOMÖDIE VON MICHAEL COONEY // 27.2. – 23.4.2022 Foto: Sinje Hasheider Foto: Weinladen St. Pauli ESSEN+TRINKEN ’ne gruselige Zeit für deutschen Schaumwein.“ Junge Winzer wie die beiden Brüder vom Weingut Scheuermann sorgten dafür, dass deutscher Sekt wieder in neuem Glanz erstrahle. „Der Blanc de Noir von Scheuermann ist so elegant und fein“, schwärmt sie. Die Weinhändlerin sieht sich als wichtiges Bindeglied zwischen einer jungen Generation an Winzern und ihren Kunden. Sie ist sich sicher: Um den Zugang zu Wein zu erleichtern, müsse man die Geschichten der Produzenten erzählen und nicht mit eli- tärem Expertenwissen auftrumpfen. „Wein ist ja auch nur ein Getränk am Ende“, relativiert sie. „Es ist zwar das schönste Getränk der Welt, aber man muss nicht spießig damit umge- hen.“ Ob das ein deutsches Phänomen sei? Steph sieht die Krux eher in der allgemeinen deutschen Vorliebe fürs Bier. Im- mer wieder mache sie die Erfahrung, dass sich Kunden in ihrem Laden für ihre Ahnungslosigkeit entschuldigten. Vor allem in Hamburg sei das der Fall. Die Kölner bewiesen ihrer Erfahrung nach ein größeres Selbstverständnis imUmgang mit Wein. Die Sommelière vermutet da einen Zusammenhang mit der räum- lichen Nähe zu Weinanbaugebieten wie die Mosel oder die Pfalz. Text: Jasmin Shamsi Dieser Text ist ein Auszug aus der aktuellen Podcast- Folge von „Einmal alles, bitte!“. Der Podcast vom Genuss- Guide Hamburg ist in allen bekannten Apps und Verzeich- nissen zu finden.
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