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Foto: Sebastian Linke Illustrationen: Jonni Otto ESSEN+TRINKEN VERDRÄNGUNG Tschüss , altes Haus Die Stadtteile Hamburgs verändern sich stetig im Zuge der Gentrifizierung. Nicht immer zumWohle der Bewohner und oft begleitet von Unmut. Für Aufruhr sorgte in den vergangenen Monaten der Abriss des indischen Restaurants Maharaja am Neuen Pferdemarkt – ein Bericht über die Hintergründe und was sich ändern muss an der Feldstraße, durch den der seit fast 40 Jahre be- stehende Irish-Pub Shamrock imKaroviertel weichen muss- te. Anstelle uriger, geschichts- trächtiger Kneipen sprießen trendige Restaurants und Bars aus dem Boden, deren Preis- segmente das Durchschnitts- gehalt derjenigen, die den Vierteln über Jahrzehnte ihre Identität gestiftet haben, über- steigen. Und damit verdrängen sie das, was Hamburgs alter- native Viertel ausmacht: Ori- ginalität. Alteingesessene Gas- tronomie. Menschen. Auch Experten diskutieren die Folgen der Gentrifizierung für Stadtbewohner. Ingrid Breck- ner, ehemalige Professorin für Stadt- und Regionalsoziologie an der HafenCity Universität, sagte imGespräch mit SZENE HAMBURG, dass die ohnehin schon angespannte Situation vor allem auf vermehrte Re­ gularien seitens der Politik angewiesen ist. „Es muss dringend überlegt werden, mit welchen Instrumenten man versuchen kann, Mietniveaus zu stabilisieren, sodass sie bezahlbar bleiben.“ Die Gas­ tronomie sei ein schwer von außen steuerbarer Bereich, wenn Betreiber nicht gemein- sam am Erhalt bestehender Stadtmilieus mitwirken wür- den. ImStadtteil Ottensen sei das geglückt, weil dort eine „Gentrifizierung von innen he- raus“ stattgefunden habe – zu- rückzuführen auf das Engage- ment der Bewohner, wodurch ein sanfter Erneuerungspro- zess gegen die geplante Kahlschlagsanierung durchgesetzt werden konnte. Die steg (Stadt- erneuerungs- und Stadtentwicklungsgesell- schaft) habe diesen Prozess begleitet und sich bei Neubauten auf bezahlbaren Wohnraum von SAGA und Genossenschaften fokussiert. „Das spiegelt sich auch heute noch im Bevölke- rungsdurchschnitt wider“, so Breckner. Das wiederum schlägt sich auch auf eine diverse Gastroszene nieder. Gentrifizierung muss also nicht zwangsläufig Verdrängung bedeuten. Paradoxe Zustände Zurück zumMaharaja: ImMärz 2015 fand das erste Gespräch zwischen Kathrin Guthmann und ihrem Ehemann Satish, den Inhabern des Maharaja, und der städtischen Sprinkenhof Tag für Tag haben sie gekämpft. Mit Mahnwa- chen, friedlichen Protesten, Konzerten. Mit kol- lektiver Hingabe und Tatendrang stellte sich die Initiative St. Pauli Code Jetzt gegen den geplanten Abriss. Und doch rissen Bagger die Mauern des Maharaja amNeuen Pferdemarkt am 21. Juni 2021 ein. Und damit noch viel mehr: Stadtkultur, Identität, Existenz. In Hamburg wächst der Unmut unter den Bewohnern der Stadtteile St. Pauli und Sternschanze in den vergangenen Monaten zunehmend. Denn der Verlust des indischen Restaurants auf dem Grundstück der historischen Rindermarkthalle war nicht der einzige Akt des wachsenden Identitätsraubes eines Viertels. Hinzu kommen beispielsweise das Sternbrücken-Debakel und die dadurch bedrohte Existenz mehrerer Clubs und Bars oder ein weiterer geplanter Neubau 4 ESSEN+TRINKEN GmbH bezüglich der Mietung der Räumlich­ keiten statt. Erst nach sechs Monaten erhiel­ ten sie die Zustimmung für einen Mietvertrag, weshalb sich die Betreiber des Maharaja fra­ gen, warum sie kurz danach wieder aus dem Restaurant mussten. Laut einer Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der Abgeordneten Heike Sud­ mann der Partei Die Linke vom 7. September 2020 wurde bereits am 30. September 2015 die Projektidee des Konsortiums der Öffent­ lichkeit vorgestellt. Die Disposition zugunsten des Konsortiums wurde am 7. September 2016 beschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde das Grundstück jedoch nicht als Angebots­ fläche eingestuft. 2016, fast zeitgleich, wurde das Maharaja eröffnet. Kurz nach der Eröffnung kam ein Ver­ treter der steg und teilte mit, dass auf dem Grundstück gebaut wird, sagt Kathrin. „Die ha­ ben sich gewundert, warum ein neuer Mieter in diesem Gebäude ist. Das war paradox.“ Für den Bau des umstrittenen Paulihauses ist ein Baugemeinschaftsprojekt von vier Firmen verantwortlich: die steg, ARGUS, Hamburg Team und die Pahnke Markenmacherei. Das Paulihaus wird als Wirtschaftsförderungsfall eingestuft, was wiederum viel Unmut unter St. Paulianern auslöste. Denn Axel Oberwelland, Hauptgesellschafter der Pahnke Markenma­ cherei, steht auf der Forbes-Liste der reichs­ ten Menschen weltweit auf Platz 437 (mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 4,5 Milliarden Dollar). Der Hamburger Senat ant­ wortete auf eine Anfrage der Linken, dass für die Bewertung als Wirtschaftsförderungsfall die am neuen Standort tätigen Unternehmen gemäß geltender Wirtschaftsförderungskrite­ rien bewertet würden. Eine Bedürftigkeitsprü­ fung erfolge nicht, jedoch sei eine „solide Ver­ mögens- und Ertragslage Grundvoraussetzung für eine Grundstücksvergabe. Enttäuscht von der Stadt Wie könnte der fortschreitenden Gentrifizie­ rung entgegengewirkt werden? Ingrid Breckner sagt, dass kein Weg daran vorbei führe, ver­ stärkt sozialen Wohnungsbau zu fördern. Zu­ dem müsse mehr Bürgerbeteiligung stattfin­ den. Die Besitzer des Maharaja standen mit demBau-Konsortium in Kontakt, um über eine Auszahlung oder einen Einzug in das Paulihaus zu sprechen. „Uns wurde vorgegaukelt, dass der Prozess der Ablöse gerecht ablaufen wür­ de. Innerhalb eines Jahres hatten wir diverse Termine mit dem Bau-Konsortium, bei denen ich nie gut behandelt worden bin.“ Zuletzt stand das Angebot von 70.000 Euro als Ablöse im Raum. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass das Ehepaar mehrere Hunderttausend Euro in das Restaurant investiert hatte. Zudemwurde Kathrin mitgeteilt, sie hätte etwas von dem Bauvorhaben wissen müssen. Dennoch fragt www.reservix.de dein ticketportal /reservix Tickets unter www.reservix.de 0,20 € pauschal aus dem deutschen Festnetz, aus demMobilfunknetz 0,60 € Hotline 01806 700 733 Alle Angaben ohne Gewähr 19.10.22 Laeiszhalle, Hamburg Bundesweit 90.000 Events! 12.06.–17.07.22 First Stage, Hamburg Anne Clark 20.08.22 Elbphilharmonie Hamburg King Gizzard &The LizardWizard 24.08.22 Markthalle, Hamburg The JulesVerne Experience 21.10.22 Zeltphilharmonie,Hamburg 5

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