Februar 2018
33 Meike Harten, was ist in demStück „Herrinnen“ der zentrale Konflikt? MeikeHarten: Es geht nicht nur umeinen konkreten, realistischenKonflikt, sondern es ist ein Sammelsu- riumvon Irrwitz. Fünf Frauen sind für den Staatspreis für weibliche Lebensleistungen, was an sich schon absurd ist, nominiert. Und während sie hinter den Kulissen auf die Verleihung warten, entspinnt sich zwischen den „Herrinnen“ einDisput, in demsie sich miteinander messen, wer das beste Vorbild ist, wer den Preis ammeisten verdient hat. Aber welche Themen werden in dem Stück verhan- delt? Bei einer Komödie, wie hier, sind gesellschaftliche Anliegen immer der Boden einer Geschichte. Natür- lich geht es auch um Geschlechtergleichheit, Leis- tung, Gender, Mann-Frau-Verhältnisse und Emanzi- pation. Aber die Formulierung der Themen klingt so theoretisch und moralisch. Und das ist das Stück nicht. Die Autorin Theresia Walser hat keine vorge- fertigteHaltung oderMeinung in demText verankert, sondern lässt Widersprüche aufeinanderprallen, wodurch deutlich wird, wie absurd die Diskussionen umdiese Themen sein können. Wir leben in einer Zeit, in der man sofort eine Meinung zu haben hat, die oft zu schnell getroffenwird, und vertraute Perspektiven übernommen werden. Und das kann das Stück auf- zeigen. WelcheWidersprüche? Sie erschafft ungewohnte Bilder, bei denen die Leute nochmal einen anderenBlickwinkel bekommen und der Inhalt eine andere Deutung bekommt. Wenn Frauen zum Beispiel die typischen männlichen Verhaltensweisen im Job, die als normal gelten, übernehmen, wird deutlicher wie absurd unserer Leistungsgesellschaft ist. Die Autorin spielt mit dem Tausch der Geschlechter und dadurch bekom- men die Verhaltensweisen eine Absurdität. Aber sie liefert keinRezept oder eine allgemeineAntwort, auch wennwir immer danach suchen, umalles festtackern zuwollen. Antworten gibt uns das Leben ja auch nicht. Die Herrinnen beschäftigen sich sehr mit ihremÄu- ßeren. Wieso greift die Autorin dieses Frauen-Klischee auf? Dass für die Frauen in dem Stück ihr Äußeres ein großes Thema ist, spiegelt nur wider, was die Gesell- schaft von ihnen erwartet. Wenn in denMedien über eine Frau geschrieben wird, steht immer ihr Alter dabei. Und auch wenn sie was Tolles geleistet hat, wird auch immer etwas über ihr Aussehen gesagt. Daran wird, unabhängig von der Leistung, eine Frau immer bemessen undwir haben uns daran gewöhnt. Wie zum Beispiel über das Aussehen unserer Bun- deskanzlerin gesprochen wird, über einen Bundes- kanzler würdeman das nicht tun. Erschließt sich das Stück über denHumor? Der Zugang entsteht in dem Moment des Erlebens. Theresia Walser hat eine starke Dialogsprache. Sie schreibt sehr witzig, leicht, direkt und umgangs- sprachlich aber alles sehr verdichtet. Aber unter jeder Komödie liegt auch das Drama. Die Farce, der zuge- spitzte Anteil, hat ja oft einen bösenHumor, wasmir sehr gut gefällt. Hier ist der Text selbstironisch ge- schrieben aber die Figuren nehmen sich bitterernst und genau da entsteht der Humor. Denn je ernster sich eine Figur nimmt und dabei Müll redet, das aber nichtmerkt, sondern vehement versucht zu überzeu- gen, umso absurder wird es. Wie sieht esmit der Gleichberechtigung in der Ham- burger Kulturszene aus? Genausowie in jedemanderenBetrieb, woHierarchi- en herrschen, ist das Theater diesbezüglich auch stark verrostet und hängt in alten Strukturen fest, obwohl es in der Öffentlichkeit für Offenheit und Li- beralität steht. Aber auch hier werden die Frauen meistens schlechter bezahlt, es gibt weniger Regis- seurinnen, und das obwohl mehr Frauen alsMänner ins Theater gehen. Der ehemalige Intendant der Komödie Winterhude, Michael Lang, ist an das Ohnsorg gewechselt. Er hat das Theater Kontraste aufgebaut und mit Herzblut betrieben. Wie geht esmit demKontrasteweiter? Erst einmal könnenwir noch diese Spielzeit mit dem Theater Kontraste im Winterhuder Fährhaus blei- ben. Wir werden wie gewohnt bis zum Sommer einigeWiederaufnahmen zeigen aber auch Premie- ren. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht klar. Wir befinden uns gerade in einem schwebenden Zustand, in dem alle Möglichkeiten ausgelotet wer- den. Denn neue Räume zu finden ist sehr schwierig. Interview: Hedda Bültmann AB 28. FEBRUAR Theater Kontraste THEATER Meike Harten inszeniert am Theater Kontraste ein Stück über fünf Karrieristinnen, die sich in den Fallstricken des Feminismus verheddern Foto: Olaf Deharde DIE HERRINNEN Beinharte Frauen
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