hamburg:pur Januar 2024
Foto: Stephen Sonnerstein/Alamode Film Foto: Weltkino/M. Abramowska FILM Joan Baez I amANoise Schon als 15-Jährige stand für Joan Baez fest, sie werde die Welt verändern. Die heute 82-jährige US- amerikanische Folksängerin und politische Aktivistin zieht schonungslos Bilanz. Viele erinnern sie als Pos tergirl der Friedensbewegung mit jener legendären Stimme und ihrer einzigartigen Ausstrahlung. Die Menge jubelte, verehrte sie, kaum einer ahnte, wel- che Dämonen sie innerlich quälten. Ausgangspunkt des Dokumentarfilms ist ihre Abschiedstour. Zwischen den Auftritten lässt sie ihr Leben Revue passieren. Atmosphärisch starke Konzertmitschnitte wechseln mit privaten Home-Videos, die eine idyllische Kind- heit suggerieren und doch den Ursprung ihrer Ängste und Depressionen auf Band hielten. Erstmals spricht sie ausführlicher über die Beziehung zu Bob Dylan, sie verhalf seiner Karriere zum eigentlichen Durch- bruch, litt extrem unter der Entfremdung. Joan Baez tat sich nach eigenen Worten immer schwer mit Be- ziehungen und Nähe. Ihre Offenheit ist unerwartet, nichts scheint ihr zu privat, zu schmerzlich: Tagebuch- eintragungen, Zeichnungen, handgeschriebene Briefe, Audio-Mitschnitte ihrer Therapiesitzungen dokumen- tieren das Ausmaß ihrer Traumata. Spät erst begann sie mit der Aufarbeitung, und doch bleiben die Ängste ihre Begleiter. (ag) AB 28. DEZEMBER USA 2023; 113 Min.; R: Miri Navasky, Karen O’Connor, Maeve O’Boyle ★★★★★ The Palace Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig für eine gewisse Zeit auf einem beschränkten Raum zusammentreffen, bie- ten ein hervorragendes Sujet für komische, skurrile, oft auch satirische Gesellschaftsdramen, wahlweise Komödien. Ru- ben Östlund hat das zuletzt mit „Triangle of Sadness“ gran- dios auf die Spitze getrieben. Nun hat sich auch Altmeister Roman Polanski eines solchen Settings mit groteskesten Figuren angenommen. Doch abgehangene Altherrenwitze und ebensolche Klischees lassen „The Palace“ schnell ver- puffen. Namensgebend ist ein Luxushotel in den Schweizer Alpen. Die Millennium-Silvesterparty steht an und Hoteldirektor Hansueli (Oliver Masucci) ist eifrig damit beschäftigt, das Personal einzuschwören. Finanzstarke Gäste aus der gan- zen Welt haben sich angesagt, die anderorts unter der Ka- tegorie neureiche D-Promis einsortiert würden. Da ist etwa der renommierte Schönheitschirurg Dr. Lima (Joaquim De Almeida), dem eine Schar verunstalteter Damen folgt. Er muss nicht nur die gebrochene Nase des abgehalfterten Pornostars Bongo (Luca Barbareschi) richten, sondern auch den Kot des mit Kaviar gefütterten Bonsai-Hündchens einer französischen Diva (Fanny Ardant) inspizieren. Dann sind da noch ein greiser Multimilliardär (John Cleese), der mit seiner 22 Jahre alten Ehefrau (Bronwyn James) an- gereist ist, der er zum ersten Hochzeitstag einen lebenden Pinguin schenkt. Während des Beischlafs erleidet er selig grinsend einen Herzinfarkt, seine junge Gattin einen Schei- denkrampf. Und dann ist da noch ein zwielichtiger Investor (Mickey Rourke), der die Angst vor einem Crash beim Mi llenniumswechsel mit dem bislang korrekten Banker Caspar Tell (Milan Peschel) für einen Millionenbetrug nutzen will. Wodka trinkende Russen samt einer aus dem Auto kotzen- den Frau (müder Abklatsch von Sunny Melles’ genialer Kotz- attacke in „Triangle of Sadness“) gibt’s auch. Trotz ein paar tatsächlich witziger und gar kluger Seitenhiebe bleibt dieses Altherrenwerk vor allem eines: lau. (bs) AB 18. JANUAR IT, POL, CH, F 2023; 97 Min.; R: Roman Polanski; D: Oliver Masucci, John Cleese, Fanny Ardant ★★★★★ 26 G u t e s R a d i o f ü r G u t e L e u d e w w w . a h o y r a d i o . d e H ö r t u n s j e t z t a u c h a u f DAB+ Unsere Möglich macher:
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