hamburg:pur Januar 2024
Foto: Stefano Di Buduo THEATER LESSINGTAGE EineWelt, die sich neu erfinden muss Die jüngste Ausgabe des Theaterfestivals bietet ein sehenswertes Programm Wer in dieser Reality-Show verliert, stirbt aus: Science- Fiction-Satire „Planet B“ des Berliner Maxim Gorki Theaters „Um alles in der Welt“ geht es den Lessing tagen seit 15 Jahren. 2024möchte Thalia-Inten- dant Joachim Lux das bekannte Motto leicht modifizieren: Es gehe um „das Alles der Welt“, um die Zukunft unseres Planeten. Die verbale Eröffnung übernimmt in diesem Sinn Luisa Neubauer, das bekannteste Gesicht von „Fri- days for Future“ in Deutschland. Ihre Aussage „Handle, als ob es um alles geht“ passt perfekt ins etablierte Festivalmotto. Zur Eröffnung überbringt die Hamburgerin gemeinsam mit dem Ensemble Resonanz ihre Botschaft mu- sikalisch – eine „Rede in Es-Dur“. Weiter im Programm: Weltuntergang als Ko- mödie. Falls die Menschheit es doch nicht schafft, die Erde in Eigenregie zu verwüsten, könnte es zu folgendem Szenario kommen: Außerirdische lassen in einer TV-Reality-Show Panda, Huhn, Ameise, Fuchs, Krokodil, Fleder- maus und einen Menschen gegeneinander an- treten – wer verliert, stirbt aus. Den (irr-)witzi- gen „Planet B“ inszenierte die mehrfach aus- gezeichnete Regisseurin Yael Ronen mit dem Ensemble des Berliner MaximGorki Theaters. „Apocalypse Tomorrow“ terminiert den Show- down sogar noch deutlich früher: In ihrer Ur- aufführung in englischer Sprache konfrontie- ren Regisseur Evgeny Kulagin und Choreograf Ivan Estegneev sechs unterschiedlichste Men- schen mit letzten Fragen – und der allerletzten Möglichkeit, Antworten zu finden. Die beiden Künstler gehören zum zukünftigen Ensemble „Kirill & Friends“, das sich zurzeit mit dem am Thalia Theater beheimateten Artist inResi dence Kirill Serebrennikov konstituiert. Zwei Eigenproduktionen stehen zu Beginn des Festivals auf dem Programm. Erstmals in Deutschland ist eine Bühnenfassung von Ing- mar Bergmans berühmtem Film „Schande“ zu sehen, inszeniert von Mattias Andersson, Au- tor, Regisseur und Intendant des Stockholmer „Dramaten“: Ein Künstlerpaar flieht vor der Realität eines Kriegs, wird indes von der Wirk- lichkeit gnadenlos eingeholt. Und Luk Perce- val, ehemaliger Oberspielleiter des Thalia Thea- ters, bündelt in seiner Inszenierung von Hans Falladas „Wolf unter Wölfen“ eine Moment aufnahme des Inflationsjahrs 1923, die amBei- spiel eines Protagonisten die Verstrickung von Privatem und Politischem aufzeigt. Perceval gehört seit fünf Jahren zum Team des NTGent, des Niederländischen Theaters der flämischen Stadt Gent. Das leitet der international erfolg- reiche Theatermacher Milo Rau, der mit seinen aufsehenerregenden Inszenierungen regelmä- ßig für Kontroversen sorgt. Seine „Antigone im Amazonas“ wurde nach Hamburg eingela- den, das aufwühlende Stück entstand in Bra- silien gemeinsammit der dortigen „Bewegung der Landlosen“. Das Festival-Finale liegt in den Händen von Bestsellerautorin Nino Haratischwili, gebürtige Georgierin. Drei ihrer Veröffentlichungen wur- den in der Vergangenheit am Thalia Theater für die Bühne adaptiert, nun ist dort erstmals eine Inszenierung von ihr zu sehen: Mit sechs Darstellerinnen erzählt sie die Geschichte des rumänischen Mädchens aus einer Artisten familie, das durch Aglaja Veteranyis Roman „Warum das Kind in der Polenta kocht“ bekannt wurde, in deutscher und georgischer Sprache (mit deutschen Übertiteln) für ein Publikum ab 16 Jahren. Thematisch konkretisierte Stadt- führungen gehören auch dieses Jahr zumRah- menprogramm, so erfahren Interessierte bei- spielsweise einiges über „Lessing in Hamburg und die Frauen der Aufklärung“. Text: Dagmar Ellen Fischer 18. JANUAR BIS 4. FEBRUAR; Thalia Theater & Thalia Gauß 20 Beckmann (Holger Dexne) fühlt sich in seiner Heimatstadt Hamburg wie ein Fremder: „Buten vör de Döör“ Illustration: Rocket&Wink Foto: Sinje Hasheider THEATER Orlando Klassiker fluider Identitäten In ihrem Roman „Orlando“ nahmVirginia Woolf vorweg, wofür Trans- und non-binäre Personen heute noch kämp- fen müssen: um die Möglich- keit, das bei der Geburt fest- gestellte Geschlecht wech- seln zu können und mit ihrer neuen Identität akzeptiert zu werden. Woolf, die mitunter als Mann verkleidet in der Öf- fentlichkeit auftrat, nannte „Orlando“ imUntertitel „Eine Biografie“, wenn auch eine fiktive, legte jedoch eine eindeutige Spur zu ihrer zehn Jahre jüngeren Geliebten Vita Sackville-West. In der 1928 erschienenen Veröffentlichung kommt Orlando im 16. Jahrhundert als englischer Adeliger zur Welt, später ist er Pro- tegé von Königin Elizabeth I. Im orientalischen Konstantinopel vollzieht sich seine Verwandlung in eine Frau quasi über Nacht; zurück in England, heiratet sie einen Briten. Ihrer Protagonistin gönnt Woolf rund 400 Lebensjahre, doch selbst im 20. Jahrhun- dert darf sie nicht lieben, wen sie will. Nach über zwanzig Jahren inszeniert Regie-Legende Jossi Wieler erstmals wieder amDeut- schen Schauspielhaus in Hamburg. (def) 26. JANUAR (PREMIERE), 28. JANUAR UND WEITERE TERMINE; Deutsches Schauspielhaus Buten vör de Döör Eine Stimme, die niemand hören will Todkrank war Wolfgang Borchert, als er sein einziges Drama „Draußen vor der Tür“ innerhalb kürzester Zeit schrieb. Er starb einen Tag vor dessen Uraufführung in den Hamburger Kammer- spielen im November 1947. Darin gibt er dem Kriegsheimkehrer Beckmann eine Stimme, die damals kaum jemand hören wollte: Abgemagert, hungrig, verletzt und frierend kommt er aus sibiri- scher Gefangenschaft zurück nach Hamburg und wird überall ab- gewiesen. Sogar die von Borchert personifizierte Figur der Elbe spuckt ihn nach einemSelbstmordversuch wieder aus. Beckmann steht für eine Nachkriegsgeneration, die kein Zuhause mehr vor- findet. Vor knapp sechs Jahren begeisterte die plattdeutsche Erstaufführung „Buten vör de Döör“, die nun wieder aufgenom- men wird. Holger Dexne beeindruckt als Beckmann in der Insze- nierung von Ingo Putz, die mit nur drei Darstellenden auskommt. Cornelia Ehlers ist einmal mehr für die behutsame sprachliche Über- tragung verantwortlich, die von einem bewussten Wechsel zwischen Hoch- und Plattdeutsch lebt. (def) 30. JANUAR (WIEDERAUFNAHME) UNDWEITERE TERMINE; Ohnsorg Studio Verwandlungen über 400 Jahrhun- derte hinweg: „Orlando“ Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg Jetzt abonnieren: HEUTE IN HAMBURG Newsletter szene-hamburg.com/newsletter ISBN978-3-946677-95-6 SPEZIALNR.19 2024 |€8,50 SPEZIALNR.19 SZENEHAMBURGSTYLE2024 €8,50 HAMBURGS SHOPPING GUIDE + GROSSES SPECIAL: MODEFÜR MÄNNER EINGERICHTET Interior-Tipps vonProfis EINGESPIELT DieseTraditions-& Familienunternehmen sindeinTeam EINGETÜTET Lieblings-Shopping- Adressender Redaktion SUPPORTYOUR LOCALSTORES! STYLE Mit SZENEHAMBURG durchdasganzeJahr shop.szene-hamburg.com DasHamburg-ABO für nur 59,– Euro 14Hefte Gratis nach Hause 18,40Euro sparen! Keine Ausgabe verpassen Anonym.Kritisch.Unabhängig www.genussguide-hamburg.com Gepflegte Drinks DiebestenBars derStadt Ostsee-Special LeckereSpots rundum dieLübeckerBucht Abgebrüht CooleCafésund süßeSachen Nachvorn! 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