hamburg:pur Januar 2023
Foto: Alamode Film Foto: Leonine Studios Holy Spider Eine Serie grausamer Morde an Prostituierten erschüttert Masch- had, das spirituelle Zentrum des Irans. Die Journalistin Rahimi (grandios: Zar Amir Ebrahimi) wird von ihrer Teheraner Zeitung beauftragt, vor Ort den Fall zu recherchieren. Schon vom ersten Moment an stößt sie in der konservativen Drei-Millionen-Stadt auf Frauenfeindlichkeit und erbitterten Widerstand, ob an der Hotelrezeption oder im Kriminalkommissariat. Niemand scheint wirklich an der Ergreifung des Täters interessiert. „Mörderspinne“ nennen die Medien den Serienkiller, der Zuschau- er kennt ihn längst. Bauarbeiter Saeed Azimi (Mehdi Bajestani) gilt als sanftmütiger Ehemann und Vater, doch in ihm brodelt es, der Kriegsveteran fühlt sich unterschätzt, glaubt die Arbeit Got- tes zu verrichten, wenn er die Straßen, wie er sagt, vom „Schmutz“ befreit. Jede Etappe seiner blutigen Mission berichtet er, vom Münzfernsprecher aus, einem Reporter seines Vertrauens. Von oben betrachtet, erinnern die Lichter der heiligen Stadt nachts an ein Spinnennetz. Rahimi folgt den verzweifelten, grell ge- schminkten Frauen, sieht, wie sie von ihren Freiern gedemütigt werden, schlüpft in die Rolle des Lockvogels, um den Mörder zu überführen. Nach der Festnahme Saeeds feiern ihn viele Men- schen als Helden, sein Sohn bewundert ihn. Der Film basiert auf einem wahren Kriminalfall zu Beginn der 2000er-Jahre. Damals lebte der iranische Regisseur Ali Abbasi („Border“) noch im Iran. Er zelebriert die Verbrechen nicht, wie es viele US-Thriller tun, sondern zeigt Gewalt als das, was sie ist: brutal, banal, kläglich, abstoßend, grotesk, nicht ohne tragische Komik – und in diesem Fall als Produkt einer misogynen Gesell- schaft. Abbasi versucht den geächteten Opfern ihre Würde zurückzuge- ben, selbst wenn er ihre Schicksale nur kurz anreißt. Mit „Holy Spider“ gelingt ihm dieser atmosphärisch wie ästhetisch umwer- fende, sensible Neo-Noir inmitten industrieller Beton-Tristesse. Ein Terrain verlorener Seelen: magisch düster, unheilvoll mit einer Femme fatale, die verführt, um zu entlarven. (ag) AB 12. JANUAR DK/D/F/S 2022; 117 Min.; R: Ali Abbasi; D: Zar Amir Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani ★★★★ ★ The Son Der New Yorker Anwalt Peter (Hugh Jackman) ist erfolgreich und zufrieden. Der Anzug sitzt, der nobleWagen gleitet durch die Stra- ßen Manhattens, nach Feierabend erwartet ihn seine junge Le- bensgefährtin Beth (Vanessa Kirby) mit ihremgemeinsamen Baby in einem großzügigen Appartement. Doch die heile Welt droht zu zerbrechen, als seine Ex-Frau Kate (Laura Dern) verzweifelt vor der Tür steht. Sie sorgt sich um ihren gemeinsamen 17-jährigen Sohn Nicholas (Zen McGrath), der die Schule schwänzt und ver- stört wirkt. Peter sucht das Gesprächmit Nicholas und bietet ihm an, bei sich und Beth zu wohnen. Hingebungs- und verständnis- voll nimmt er sich seines Sohns an, doch dieser leidet an einer massiven Depression, wirkt zunehmend abweisend und aufbrau- send. Selbst eine Therapie scheint nicht zu wirken. Wird es dem Vater gelingen, seinem Sohn wieder Zuversicht zu vermitteln? Nach seinem von der Kritik gefeierten, Oscar-prämierten „The Father“ nimmt sich Regisseur Florian Zeller einmal mehr eine menschliche Krankheit vor, die das Bewusstsein massiv verändert. „The Son“ handelt von einem an Depression leidenden Jugend- lichen, der wenig Freude am Leben empfindet und sich zuneh- mend abschottet. Und man muss dies warnend vorwegschicken: Dieser Film ist keine leichte Kost. Von der Ähnlichkeit im Titel ab- gesehen, gleichen sich die Filme wenig. Das Familienleben mit all ihren Verstrickungen undWiedersprüchen bildet zwar einmal mehr den Rahmen der Erzählung, doch erreicht der Film trotz Star- Besetzung mit Hugh Jackman („Prestige“) und Oscar-Gewinnerin Laura Dern („Marriage Story“) nicht die gleiche Genialität wie „The Father“ mit dem grandios aufspielenden Anthony Hopkins – der übrigens auch einen Gastauftritt hat. „The Son“ vermag dennoch zu überzeugen. Gebannt schaut man dieser Familientragödie zu, die von den hervorragenden Darbietungen lebt. Kamera (Ben Smithard), Kulisse und Musik (Hans Zimmer) erzeugen eine be- drückende emotionale Wirkung. Und wie auch beim Vorgänger überrascht der Film mit einer dramatischen Wendung, die einen perplex zurücklässt. (mag) AB 26. JANUAR GB 2022; 122 Min.; R: Florian Zeller; D: Hugh Jackman, Laura Dern, Zen McGrath ★★★★ ★ FILM 26 Unsere Möglich macher: w w w . a h o y r a d i o . d e Gutes Radio für Gute Leude M e d i e n p a r t n e r Ladet unsere App!
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