hamburg:pur Januar 2023

Foto: Searchlight Pictures/20th Century Studios Foto: DCM FILM The Banshees of Inisherin Die Bewohner der fiktiven irischen Insel Inisherin führen im Jahre 1923 ein isoliertes Leben. Sogar vom Bürgerkrieg, der auf dem nahen Fest- land tobt, ist man hier abgeschnitten. Es hallen nur hin und wieder Schüsse herüber. Doch auch der Inselfrieden ist in Gefahr: In der Bub- ble der Bewohner entspinnt sich ein unerbittliches „Mann gegen Mann“- Duell, für das Regisseur Martin McDonagh anderthalb Dekaden nach „Brügge sehen … und sterben?“ (2008) das Duo Colin Farrell und Bren- dan Gleeson wiedervereint. Farrell spielt Pádraic Súilleabháin, einen Kleinbauern mit kompliziertemNamen und schlichtemGemüt. Der ver- liert urplötzlich seinen besten Freund, den deutlich älteren Colm (Bren- dan Gleeson). Von einem Tag auf den anderen verweigert dieser den Acht Berge Filme, die auf einen Roman beruhen, haben es meist nicht leicht. Der Vergleich mit der Vorlage drängt sich notge- drungen auf. Doch kann ein Film ungemein davon profitie- ren. Dies scheint bei „Acht Berge“ von Felix van Groenin- gen („Beautiful Boy“) und Charlotte Vandermeersch der Fall zu sein. Vorlage ist das gleichnamige Buch des italie- nischen Schriftstellers Paolo Cognetti. Deutlich wird dies bereits in den wunderbar lyrischen Voice-over-Texten, die auch direkt in die Story einführen. „Acht Berge“ handelt von der Freundschaft zwischen Pie- tro (Luca Marinelli) und Bruno (Alessandro Borghi). Pietro stammt aus der Stadt, Bruno lebt in den Bergen, Pietros Vater ist Architekt, Brunos Vater Landwirt. Beide Kinder haben ein Faible für Abenteuer – und so erkunden sie die leeren Häuser eines verlassenen Bergdorfes, streifen durch Täler und folgen einem Bach bis zur Quelle. Es entwickelt sich ein besonderes Band, das auch Jahre später noch Bestand hat – nachdem sich die Wege der beiden vorläufig trennen. Bruno bleibt imHeimatdorf, Pietro zieht es in die weite Welt. Erst nach dem Tod seines Vaters führt es ihn wieder in die Berge Norditaliens – auf der Suche nach der Freundschaft und den Geheimnissen, die in den Bergen liegen. „Acht Berge“ ist ein reifer Film über die Bedeutung der Freundschaft und der Suche nach seinemPlatz in der Welt. Obwohl der Film in klei- nen Gesten erzählt wird, entfaltet er eine monumentale Wirkung. Das liegt sowohl an den spektakulären Naturaufnahmen als auch an der behutsam erzählten Lebensgeschichte zweier Menschen, die ihre bis dahin obligatorischen Two o’clock-Pub-Gang und re- det auch sonst kein Wort mehr mit dem plötzlich Unge- liebten: ein übler Fall von Ghosting. Sich einfach aus dem Weg zu gehen, ist auf Inisherin schwierig, dafür ist die Insel zu klein und die Sehnsucht Pádraics nach seinem Best Buddy zu groß. Von nun an versucht er immer ver- zweifelter, den Grund für Colms plötzliche Abneigung zu erforschen. Er schießt dessen Bitte, fortan Abstand zu halten, in den Wind und setzt ihm hartnäckig nach. Ginge es hier um Liebesdinge, müsste man Pádraic einen pe- netranten Stalker nennen. Irgendwann verkündet Colm, sich lieber die Finger abzuhacken, als weitere Avancen des Geschassten zu ertragen. Und das meint er nicht sprichwörtlich … McDonaghs fesselnd inszeniertes Mini-Drama wirft Fra- gen auf: Wen oder was soll der alles verzeihende Held mit dem „Bitte hab mich wieder lieb!“-Hundeblick (Colin Farrells Augenbrauen verdienen einen eigenen Oscar!) darstellen? Den treuesten Freund aller Zeiten oder eine uneinsichtige, übergriffige Klette? Und ist McDonaghs Höllenfahrt durch menschli- che Seelen-Abgründe nur eine überspitzte, hundert Jahre alte Provinz- Groteske … oder eine gewitzte Parabel auf ehemalige Freunde und Nachbarn, die plötzlich die Kommunikation einstellen und sich lieber in einen Krieg der Sturköpfe verstricken? In jedem Fall ist der Film ein vor beeindruckender Naturkulisse in Szene gesetztes, grandios ge- spieltes Kino-Kabinettstückchen, dessen stoische, oft grausame und dennoch irgendwie stets liebenswerte Figuren einem noch lange im Gedächtnis bleiben (cc) AB 5. JANUAR USA 2022; 114 Min.; R: Martin McDonagh; D: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon ★★★★ ★ Rolle in der Welt suchen. Luca Marinelli („Martin Eden“) glänzt mit sei- ner charismatischen Leinwandpräsenz. Alessandro Borghi spielt seine Rolle nicht weniger überzeugend. Der Film ist „eine Ode an die Verletz- lichkeit und die Stärke eines jeden Lebewesens – ohne jede Form von Zynismus“, lassen die Filmemacher wissen. Das trifft es ziemlich ge- nau und macht diesen Film so sehenswert. (mag) AB 12. JANUAR IT/B/F 2022; 147 Min.; R: Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch; D: Luca Marinelli, Alessandro ★★★★ ★ 24 Auf 106,8 UKW, DAB+ und www.rockantenne.hamburg 1.000 EURO CLASSIC ROCK DOUBLE SHOT! Radio an! ABZOCKEN!

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