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ESSEN+TRINKEN GASTRONOMIE IN CORONA Auf ein besseres Jahr! Lockdown, 3G, 2G, 2G+ – das Jahr 2021 war turbulenter denn je. Die Gastronomie wurde durch viele neu verkündete Verordnungen vor große Hürden gestellt. Beim Streifzug durch Hamburgs Gastronomie-Landschaft haben wir erfahren, vor welchen Problemen die Gastgeber standen und sich aktuell befinden. Wie sehen die Wünsche zum Jahreswechsel aus? SUDABE Geschäftsleitung im L’Orient „Durch die Mutation gab es noch mehr Einschränkun- gen, weshalb wir viele Stornierungen verzeichnen muss- ten. Letztes Jahr war es zwar auch anstrengend, aber da lief es bei uns einigermaßen durch den Außer-Haus- Verkauf und die Kooperation mit Lieferando. Nach der Eröffnung war es schwierig, Anschluss zu finden. Teil- weise standen wir hier drei, vier Wochen nur zu zweit und hatten kaum etwas zu tun. Es hat gedauert, bis Stammgäste wussten, dass wir wieder normal geöffnet haben. Mittlerweile ist es teilweise schwierig, mit den Gästen umzugehen: Die einen haben viel Verständnis, dass wir kontrollieren müssen. Aber es gibt auch viele Gäste, die allergisch auf die Maßnahmen reagie- ren. Manche Gäste rasten aus, das ist dann unangenehm. Auch die finanziellen Aspekte sind ein Problem. Wir haben durch eine neue Aperitif-Karte versucht, die Umsätze wieder zu steigern. Außerdemmussten wir unsere Preise erhöhen. Wie sagt man so schön: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Für das kommende Jahr wünsche ich mir, dass verstärkt darauf geschaut wird, wie wir den Menschen in unseremUmfeld weiterhelfen können. Von der Politik, dass sie uns bessere Lösungen bietet, mit denen wir arbeiten können. Außerdem, dass man uns mehr hört. Denn die Gastronomie ist keine Minderheit.“ FARINA Servicekraft imMahadosa „Ich habe vorher imMaharaja gearbeitet, das leider abge- rissen wurde. Im Mahadosa bin ich jetzt seit drei, vier Mo- naten. Für das Restaurant war die Pandemie dieses Jahr schwierig. Der Laden hat vor etwa einemDreivierteljahr neu geöffnet. Der alte La- den am Neuen Pferdemarkt wurde abgerissen und daraufhin haben die Besitzer zwei weitere Läden ge- kauft. Einmal diesen hier und einen weiteren in der Hein-Hoyer-Straße 10. Wir sind ein südindisches Res- taurant – das erste und einzige südindische Restau- rant in Hamburg. Dadurch kommen viele Südinder bei uns zum Essen. Man kann sagen, dass der Laden da- durch relativ zügig gut gelaufen ist. Aber es ist auf jeden Fall immer noch zu spüren, dass Corona nun mal da ist. Wenn die Inzidenzen hoch gehen, merkt man, dass weniger Gäste zu uns kommen. In den ver- gangenen Wochen wurden viele Weihnachtsfeiern ge- bucht, aber leider trudeln nach und nach Absagen ein. Der Aufruhr um den Abriss des alten Restaurants kommt uns aber zugute. Durch die Demonstrationen und die damit einhergehende Aufmerksamkeit kom- men einige Menschen sowie unsere Stammkunden zu uns und der Zusammenhalt ist stärker. Durch Co- rona sind wir solidarischer und toleranter geworden miteinander. Ein Stück weit kann man dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen, aber grundsätz- lich hat es den Läden eher geschadet. Ich wünsche mir für das kommende Jahr, dass diese gesellschaft- liche Spaltung nicht weiter zunimmt. Gesellschaftli- cher Zusammenhalt und eine klare Linie in politischen Entscheidungen wären schön.“ TOMAS Inhaber von Noah’s Taverna „Wir haben hier tote Hose, der Laden ist leer. Seit ungefähr drei Wochen, seit dem die 2G-Regelung entstanden ist, haben wir hier sowohl mittags als auch abends nichts mehr zu tun. Ich hatte gerade zwei Gäste an einemMittwoch um 13 Uhr. Insgesamt kommen wir ak- tuell auf vielleicht fünf bis sechs Essen zur Mittagszeit. Normalerweise hätten wir jetzt schon 60 Gäste. Wir schmeißen unsere Lebensmittel weg, haben den Laden schon um 21 Uhr geschlossen. So langsam zerreißen sie uns alles, was wir uns hier aufgebaut haben. Das, was wir im Sommer gespart haben, ist schon wieder weg. Eine Stütze kommt nicht, weil der Laden geöffnet ist. Doch die Kosten laufen weiter. Wir geben so viel Geld für Lebensmittel, Mitarbeiter und Miete aus – das ist schon echt schwierig. Ich wünsche mir, dass man uns hört und einen Plan findet. Der Gastronomie geht es richtig, richtig schei- ße. Es ist wie ein Todesschlag – kurz vor dem Aufgeben. Aber wir wollen nicht aufgeben, wir wollen weitermachen.“ FREDERIKE (FREDI) Werkstudentin im froindlichst „Der Sommer war krass, da hatten wir super viel zu tun. Die Terrasse war jeden Abend voll. Seit Herbst – mit Beginn der 2G-Regelung – bleiben uns vor allem unter der Woche die Gäste aus. Besonders die (kurz- fristig verkündeten) Corona-Regeln haben uns zu schaffen gemacht. Wenn sich die Verordnung alle zwei Wochen ändert, kommt man irgendwann nicht mehr mit – auch bei der Umsetzung. Aber: Die Gäste sind noch dankbarer, dass man überhaupt da ist. Die große Masse freut sich, dass wir geöffnet haben. Ich hoffe, dass sich genug Menschen impfen, damit wir diese ganzen Auf- lagen vielleicht nicht mehr brauchen – auch für den Winter gesehen. Ich wün- sche mir, dass das mal ein Ende findet und man wieder ganz normal dabei sein kann.“ Foto: Johanna Zobel Foto: Johanna Zobel Foto: Johanna Zobel Foto: Johanna Zobel 8 Jetzt NEU! 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ZumGlück konnten wir die Terrasse umbauen, dafür konnte man Zuschüsse beantragen. Da aber dann jeder zu der Zeit irgend- was gebaut hat, waren Holz, Metall und Elektronik Mangelware. Preiserhöhungen und vage bis keine Lieferdaten erschwerten unsere Umbauten, sodass es kaum möglich war, im Budget zu bleiben. Tische und Stühle kamen sechs Wochen nach Eröffnung, die Schirme Ende August. Das Terrassengeschäft startete von null auf hundert und lief besser als vorher. Die Leute waren aus- gehungert. Das Telefon hat durchgehend geklingelt, das hatten wir noch nicht einmal bei der Eröffnung. Aber da kam das nächs- te Problem, das Personal: Zum einen war die Terrasse größer als vorher, zum anderen hatten wir nach den acht Monaten Lock- down kaum noch Personal. Viele sind in andere Be- rufe gegangen und da jeder zur gleichen Zeit nach Personal suchte, gab es da ein kleines Nachfrage- Angebot-Problem. Also konnten wir das Potenzial in dem kurzen Sommer gar nicht nutzen. Leider waren einige Gäste nicht sehr verständnisvoll. Kurz vor der Einführung von 2G sind die Reservierungen dann ra- pide nach unten gegangen, sowohl drinnen als auch draußen. Um 50 bis 60 Prozent. In unseremGoldbekhaus sind in dieser Zeit eigentlich immer viele Veranstaltungen, die sind aber auch alle abgesagt worden. Und somit auch die Gäste, die bei uns essen gehen. Gäste reservieren, kommen gar nicht oder stornieren kurzfristig. Wir haben diversen Mitarbeitern kündigen müssen. Da, wo es geht, sind wir in Kurzarbeit. Das heißt, ich muss wieder ran. Ich fühle mich machtlos. Man kommt nicht zur Ruhe. Es ist immer eine Ausnahmesituation. Man kann nie Ab- stand gewinnen, sondern wird immer wieder in sein Hamsterrad gezogen. Ich hoffe, dass sich mehr Menschen impfen lassen und dass wir es durch die nächste Welle schaffen. Ich hoffe auf einen schönen Sommer und dass wir imHerbst und Winter nicht mehr runterfahren müssen.“ Interviews: Karoline Gebhardt, Frank Sill und Johanna Zobel

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