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FILM Foto: 20th Century West Side Story Die beiden Komponisten Leonard Bernstein und der kürzlich verstorbene Stephen Sondheim schrieben mit „West Side Story“ Musical-Geschichte: Nicht weniger legen- där ist die gleichnamige Verfilmung von 1961 (Regie: Robert Wise und Jerome Rob- bins) mit ihren unvergesslichen Tanzsze- nen. Nun wagt sich Meisterregisseur Steven Spielberg an eine Neuinszenierung. Kann das gelingen? New York, 1950er: Die verfeindeten Gangs, die weißen Jets und die puerto-ricanischen Sharks, liefern sich Machtkämpfe um das Revier der ärmlichen New Yorker West Side. Doch Tony (Ansel Elgort), bester Freund des Anführers Riff (Mike Faist), will mit den Ma- chenschaften der Jets nichts mehr zu tun haben. Als er sich überreden lässt, auf einer Tanzveranstaltung zu erscheinen, verliebt er sich unsterblich in die schüchterne Maria (hinreißend: Rachel Zegler), Schwester von Bernado (David Alvarez), demAnführer der Sharks. Hat ihre junge, scheinbar ausweglose Liebe eine Chance? Steven Spielberg („Jurassic Park“) wusste genau, auf welch dünnes Eis er sich mit einer Neuverfilmung dieses auf Shakespeares „Romeo und Julia“ basierenden Klassikers begibt. Doch war es für ihn eine Herzensangelegenheit: Während imOriginal puerto-ricanische Schlüs- Foto: Tobis Film Ein Festtag Kann ein einziger Tag für die Zukunft eines Menschen entscheidend sein? England 1924: Jane Fairchild (Odessa Young) kann sich nur heimlich mit ihremGeliebten Paul (Josh O’Connor) treffen. Sie arbeitet als Dienst- mädchen bei den wohlhabenden Nivens (Olivia Coleman und Colin Firth), er ist angehender Jurist und Sohn einer befreundeten Familie. Die bei- den haben keine gemeinsame Zukunft – zumal Paul schon bald stan- selrollen mit weißen Darstellern besetzt wurden, castete Spielberg ausschließlich Schauspieler mit lateinamerikanischen Wurzeln für die entsprechenden Rollen – auch die aus demOriginal bekannte, legen- däre Rita Moreno gewann er für seine Neu- auflage. Zweifelsohne ist Spielberg ein wür- diges Remake gelungen. Der Cast mit vielen neuen Gesichtern glänzt stimmlich (zum Schmelzen: Ansel Elgort), spielerisch (stark: Ariana DeBose) und tänzerisch. Optisch erreicht der Film jedoch mit dem Einsatz heutiger visueller Möglichkeiten nicht den Charme des Originals. Janusz Kamińskis entfesselte Kamera ist zwar beeindru- ckend, bisweilen wünscht man sich bei dem rasanten Tempo des Films aber auch einen etwas ruhigeren Blick auf die von Justin Peck atemberaubend schön choreografier- ten Tanzszenen. Lohnt sich also die Neuauflage des Meis- terwerks? Der Kinobesuch ist für alle Mu- sical-Fans und Filmliebhaber obligatorisch, um sich ein eigenes Bild zu machen. Für alle anderen bietet der Film eine schöne Gelegenheit, das zeitlose Mu- sical für sich zu entdecken. (rk) AB 9. DEZEMBER USA 2021; 156 Min.; R: Steven Spielberg; D: Rachel Zegler, Ansel Elgort, Ariana DeBose ★★★★ ★ desgemäß heiraten soll. Ihr letzter gemeinsamer Tag ist der Muttertag, der Jane kostbare Zeit zur freien Verfügung verleiht. Die Sonne scheint, alles blüht und Jane ist ebenso offen für die Eindrücke dieses para- diesischen Sonntages, wie für Pauls zarte Leidenschaft. Doch der Tag nimmt eine tragische Wendung. „Ein Festtag“ ist eine narrative Offenbarung: Verschiedene Zeitebenen verflechten sich, fließen ineinander als verliefe die Zeit nicht linear. Al- les baut sich schließlich um den imOriginal titelgebenden „Mothering Sunday“ auf: Fragmentarisch nähert sich der Zuschauer seinem Ver- lauf an, darf mit ästhetischen Detailaufnahmen an der Sinnlichkeit der Charaktere teilhaben und in Janes Welt eintauchen. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von GrahamSwift und erzählt von Selbst- befreiung. Newcomerin Odessa Young spielt eine Frau, die entdecken, spüren und vor allem schreiben möchte. Sie tut dies mit einer solchen Natürlichkeit, dass man den Blick nicht von ihr abwenden kann. Nicht zuletzt sind es die Nebencharaktere, die mit Colin Firth („The King’s Speech“) und Olivia Coleman („The Favourite“) dem Film seine Kraft verleihen. Unaufdringlich mimen sie ein sich fremd gewordenes Ehe- paar, das eine ganze Generation junger Männer an den Krieg verloren hat. Die neueste Regiearbeit der französischen Filmemacherin Eva Husson („Les filles du soleil“) feierte 2021 Premiere in Cannes. Es ist ein leiser, ein poetischer Film, der das britische Drama virtuos mit dem Sinn für französische Ästhetik vereint. Dabei steht nicht die so oft verstoff­ lichte, vorhersehbare Geschichte einer unmöglichen Liebe im Mittel- punkt, sondern Janes Blick auf ihr Leben und den Tag, an dem sie zu schreiben beginnt. (rk) AB 23. DEZEMBER GB 2021; 105 Min.; R: Eva Husson; D: Odessa Young, Josh O’Connor, Sope Dìrísù ★★★★ ★ 40 41 Appetit auf Neues? Jetzt auch im WEB www.genussguide-hamburg.com ESSEN+TRINKEN SPEZIALNR.34 2021/2022 |€12 ISBN:978-3-946677 www.genussguide-hamburg.com So is(s)t Hamburg nach dem Lockdown Genuss-Michel2021 Wie gut sindwir? Newcomer trotzen der Pandemie Wo es im Umland schmeckt DER SZENE HAMBURG Cover_final_4c_130921.indd 1 13.09.21 12:34 JETZT AM KIOSK! FILM Foto: Koch Films Lamb Die Wolken sind dicht und grau. Bergketten ragen bedrohlich auf. Spu- ren größerer Siedlungen sucht man vergeblich. Valdimar Jóhannssons Regiedebüt „Lamb“ spielt irgendwo im kargen isländischen Nirgendwo und erzählt in einschüchternd-wuchtigen Bildern von einem Ehepaar, das eben dort, am gefühlten Ende der Welt, eine kleine Schafzucht be- treibt. Die harte Arbeit bestimmt den Alltag. Und oft liegt ein Schweigen über dem Hof, das nicht zuletzt von einem schrecklichen Verlust her- rührt. María (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason) haben, wie der Zuschauer mit etwas Verzögerung erfährt, ihr Kind verloren. Umso größer ist das Staunen, als sich bei der Geburt eines Lamms plötzlich eine zweite Chance auf elterliches Glück ergibt. Dass es sich bei dem kleinen Wesen um eine Mischung aus Tier und Mensch han- delt, was der Film ebenfalls nur schrittweise preisgibt, stört die beiden Bauern nur wenig. Anders als Ingvars Schwierigkeiten magisch anzie- henden Bruder Pétur (Björn Hlynur Haraldsson), der sich vorüberge- hend bei ihnen einquartiert und seine Verwunderung über die seltsame Kreatur deutlich zum Ausdruck bringt. Das in Cannes uraufgeführte, provokativ entschleunigte, ein diffuses Unbehagen erzeugende Mystery-Drama verbindet auf überraschend gelungene Weise das Schmerzhaft-Realistische mit dem Fantastischen und Bizarren. Angesichts der schrägen Familienkonstellation könnte die Handlung leicht ins Lächerliche kippen. Jóhannsson und Co-Autor Sjón ziehen aus ihrer Geschichte aber unerwartet berührende Mo- mente und erleichtern es einem dadurch, sich auf das eigenwillige Szenario einzulassen. Dass die beim Europäischen Filmpreis für ihre visuellen Effekte ausgezeichnete Debütarbeit ihrem eindringlichen Auf- bau im überhastet wirkenden Schlussdrittel nicht gerecht wird, ist sicherlich schade. Der insgesamt starke Sinn des Regisseurs für stim- mungsvolle Bilder entschädigt aber für eine abrupte Auflösung, in der die Rache der Natur am Menschen ein wenig plakativ zum Vorschein kommt. (cd) AB 6. JANUAR ISL 2021; 106 Min.; R: Valdimar Jóhannsson; D: Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson ★★★★ ★

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