Januar 2019

Der Spitzenkandidat Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1988 bewarb sich der Demokrat Gary Hart um den Anwärterposten in seiner Partei. Für Viele galt er als Favorit, bis Hart über eine angebliche außereheliche Affäre stolperte. Seinen Rück- tritt nimmt Filmemacher Jason Reitman („Tully“) in seiner filmischen Auf- arbeitung der Ereignisse pointiert vorweg – und doch erweist sich das bio- grafische Drama „Der Spitzenkandidat“ die meiste Zeit als interessanter Blick hinter die Kulissen eines unerwarteten Absturzes. Obwohl der von Hugh Jackman gewohnt charismatisch verkörperte Poli- tiker im Zentrum des Geschehens steht, rücken auch andere Beteiligte immer wieder in den Fokus: das Kampagnenteam, die Reporter, Harts Familie, das Seelenle- ben der plötzlich von allen Seiten bestürm- ten mutmaßlichen Ge- liebten. Der Film hätte in manchen Momenten sicherlich noch tiefer bohren können und kommt zu einem etwas abrupten Ende. Den- noch werden dem Zu- schauer die vielfältigen Facetten von Harts Kampf anschaulich dargestellt. Über seine Hinweise auf sexistische Denk- muster und Machtmissbrauch schlägt Reitmans Biopic außerdem einen Bogen zur aktuellen #MeToo- Debatte. (cd) AB 17. JANUAR USA 2018 112 Min.; R: Jason Reitman; D: Hugh Jack- man, Vera Farmi- ga, J.K. Simmons ★ ★★★★ DREI TIPPS 37 Die Frau des Nobelpreisträgers Connecticut, 1992: Joe Castleman (Jonathan Pryce) erhält in aller Frühe den Anruf aus Stockholm, dass er den Literatur-Nobelpreis gewonnen hat. Außer sich vor Freude hüpft er mit seiner Ehefrau Joan (Glenn Close) auf dem Bett herum – trotz 40-jähriger Ehe schein- bar glücklich verliebt. Die makellose Fassade erhält jedoch bald Risse, als Joe und Joan sich mit ihrem Sohn David auf den Weg nach Schweden zur Preis- verleihung machen. Unterschwellig beginnt es immer mehr in Joan und David zu brodeln, alte und neue Verletzungen brechen auf, während sich Joe im Scheinwerferlicht suhlt. In Rückblenden – die junge Joan hier beeindruckend gespielt von Glenn Closes Tochter Annie Starke – und Jo- ans Gesprächen mit dem klettigen Biografen Nathaniel Bone (super: Chri- stian Slater) erfahren wir, was wirklich hinter der Beziehung des Castle- man’schen Ehepaars steckt. Das soll hier natürlich nicht verraten werden, nur so viel: Wie Runge sub- til und ganz gemächlich eine fast thrillerartige Spannung aufbaut, ist be- merkenswert. Und Glenn Close sollte für ihre außerordentliche Leistung endlich mal einen Oscar erhalten. (sh) AB 3. JANUAR SWE/USA 2017, 101Min.; R: Björn Runge.; D: Glenn Close, Jonathan Pryce, Max Irons, Christian Slater, Annie Starke ★★★★★ Beautiful Boy Schön ist er, das kann man Timothée Chalamet („Call Me By Your Name“) wohl kaum absprechen. Vielleicht ein bisschen zu schön für die Rolle eines jungen Mannes, der seit Jahren der Abwrackdroge Crystal Meth erlegen ist. Der sensible Junge gerät früh in deren Sog. Wie und warum eigentlich, fragt man sich hier bis zum ernüchternden Ende, denn wirkliche Hinweise gibt es darauf nicht. Basierend auf den autobiografischen Best- sellern von David bzw. Nic Sheff schildert der belgische Regisseur Felix Van Groeningen in aussagekräftigen, teils poetischen Bildern die Aufs und Abs des zer- mürbenden Kampfes gegen die Sucht. Frus- tration und Ratlosigkeit der von Chalamet und Steve Carell („The Office“) einfühlsam verkörperten Hauptfiguren übertra- gen sich in zwei Stunden Laufzeit immer bleierner auf den Zuschauer. Am Ende bleibt ein schales Gefühl und die Erkenntnis, dass es besser ist, von Anfang an die Finger von dem Zeug zu lassen. Aber das hatten wir uns ja irgendwie schon gedacht ... (kj) AB 24. JANUAR USA 2018, 121 Min.; R: Felix Van Groeningen; D: Steve Carell, Timothée Chalamet, Maura Tierney ★★ ★★★ Foto: SquareOne Entertainment / Graeme Hunter Foto: 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH Foto: NFP DAS WEISSE CHAOS Neujahr. Ein müder, zerfeierter Tag – wie geschaffen dafür, es sich im Kino gemütlich zu machen. Zum Beispiel im Magazin-Film- kunsttheater, das heute zwei Dokumentationen zum verheerenden Schneechaos am Jahreswechsel 1978/79 in Schleswig-Holstein zeigt, bei dem die Temperatur innerhalb kürzester Zeit um 30 Grad sank und ganze Dörfer unter Schneebergen von der Au- ßenwelt abgeschnitten waren. Vorab gibt’s Kaffee und Glühwein. 1. JANUAR 15:30 Uhr; Magazin Filmkunsttheater FANTASY FILMFEST WHITE NIGHTS Wer Genrestreifen mag, darf die Fantasy Filmfest White Nights definitiv nicht verpassen. Denn hier gibt’s einen exzellenten Mix aus Gruselschockern, Thrillern, SciFi- und Fantasy-Perlen zu se- hen – schräg, schrill, fantasievoll und zumeist markerschütternd blutig. Ein Highlight ist das in Cannes gefeierte „Burning“ von Chang-dong Lee nach einer Kurzgeschichte von Haruki Muraka- mi. Gewiss ebenfalls sehenswert: „Destroyer“ mit Nicole Kidman. 12.-13. JANUAR Savoy Filmtheater DAS SCHRÄGE HERZ Christian Hornungs einfühlsame, erhellende Kiez-Doku „Manche hatten Krokodile“ lief im Abaton quasi in Dauerschleife. Mit sei- nem neuen Dokumentarfilm „Das schräge Herz“ wirft der Ham- burger Filmemacher wieder einen Blick in eine Ecke, die sonst selten beleuchtet wird: Altona-Nord. Ein Stadtteil, zerschnitten durch zwei Schnellstraßen, doch mit Menschen und Initiativen, die das Hinsehen wert sind. Hornung kommt zur Filmvorführung. 16. JANUAR 19:00 Uhr; Lichtmeß-Kino

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