Januar 2019

FILM 36 In einer Art Breakdance-Battle legt der junge Carlos Acosta Michael-Jackson-Moves hin. Etwas ungelenk, doch unbestreitbar gekonnt. Bis sein Vater ihn aus der umstehenden Grup- pe zerrt und ihn mit tief gurgelnder Reibeisen- stimme maßregelt: Er will nicht, dass er sich mit diesen “Kriminellen”, wie er sie nennt, abgibt. Pedro Acosta, Lkw-Fahrer und Enkel eines Zuckerrohr-Plantagen-Sklaven, hat an- dere Pläne: Sein Sohn soll der größte Tänzer aller Zeiten werden. Nun, er wird einer von ihnen werden: Viele Jahre später tanzt Yuli, wie sein Vater ihn nennt, als erster Dunkel- häutiger beim Londoner Royal Ballet die Rolle des Romeo. Icíar Bollaín (“Und dann der Re- gen”, “El Olivo”) hat die Lebensgeschichte von Carlos Acosta, der es aus prekären familiären Verhältnissen in einem armen Viertel Havan- nas bis auf die ganz großen Bühnen schaffte, in einem beeindruckenden Biopic nach dem Drehbuch von Paul Laverty verfilmt. Und die ist quasi die spiegelbildliche der von Billy Elliot: Der Vater insistiert auf der Aus- bildung, will ihn zu seinem und dem Glück der Familie zwingen, doch Yuli will nicht tan- zen. Er befürchtet, vor den anderen Jungs als “Schwuchtel” dazustehen – völlig zu Recht natürlich. Er schwänzt die Stunden am ku- banischen Nationalballett, wird herausge- worfen und von seinem Vater auf ein Internat auf dem Land gezwungen, in dem er seine Karriere weiter verfolgen muss. Die Hasslie- be zwischen Vater und Sohn ist nur eine von mehreren Erzählebenen, die Bollaín in ihrem jüngsten Werk „Yuli“ kunstvoll verquickt. Sie fordert den Zuschauer. Genüsslich zurück- lehnen geht nur gelegentlich – in einigen der fantastischen Tanzszenen, die sie minutenlang auskostet und die nicht nur Zuckerguss, son- dern Teil der Erzählung sind. Kameramann Alex Catalan gelingt es, die Wucht, Energie, Wut und Verzweiflung von Acostas tänzerischer Darstellung einzufangen. Tief beeindruckend ist die Szene, in der er in einer Inszenierung in die Rolle seine Vaters schlüpft – mit einem Gürtel schlägt er auf (oder vielmehr neben) sein Alter Ego ein, wie sein Vater es einmal tat. Die Gefühle sind echt – die Szene konnte nur einmal gedreht werden, zu sehr erschütterte sie Acosta. Der Zuschauer fühlt es mit. In Rückblenden und Reminiszenzen springt Bollaín zwischen den Ebenen und Zeiten. Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter Yu- lis verschwimmen. Das früher Erlebte, die schmerzhafte Geschichte Kubas (von den 80er-Jahren bis heute) und die Sehnsucht nach Heimat und Familie verschmelzen – trotz einiger Längen und zu viel Pathos – in einem Rausch aus Farben, Tanz und Musik (Alberto Iglesias) zu einem großen Gesamtkunstwerk über Kunst, Leidenschaft und Sehnsucht. Maike Schade AB 17. JANUAR ESP/CUB/GB/D 2018 R: Icíar Bol- laín; D: Carlos Acosta, Santiago Alfonso, Edilson Manuel Olvera ★★★★★ Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín erzählt in „Yuli“ die Geschichte der kubanischen Tanz-Legende Carlos Acosta. Und mehr als das YULI Wucht und Wut Foto: Piffl Medien hamburg: pur Aktion! Wir verlosen für die Hamburg-Premiere von „Yuli“ am 15.1., 20 Uhr, mit Drehbuchautor Paul Laverty im Abaton Kino 40x2 Karten. E-Mail mit Name und Betreff „pur: yuli“ an pur-verlosung@vkfmi.de Einsendeschluss: 13.1.

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